1. Physiologie der Ventilation und des Gasaustausches
Die Ventilation bezeichnet den Prozess der Ein- und Ausatmung und die Belüftung der Lungen, insbesondere der Alveolen, wo der eigentliche Gasaustausch stattfindet. Beim Einatmen (Inspiration) dehnen die Atemmuskeln – vor allem das Zwerchfell und die äußeren Zwischenrippenmuskeln – den Thorax und erzeugen einen Unterdruck, durch den Luft in die Lungen strömt. Beim Ausatmen (Exspiration) entspannt sich die Muskulatur, der Brustraum verkleinert sich und die Luft entweicht wieder. In Ruhe atmet ein Erwachsener etwa 12–20 Mal pro Minute, mit einem Atemzugvolumen von etwa 500 ml, wovon ca. 350 ml alveolär austauschwirksam sind (der Rest ist anatomischer Totraum). Wichtig ist die Unterscheidung zwischen äußerer Atmung – dem Gasaustausch zwischen Alveolen und Blut – und innerer Atmung – dem Gasaustausch zwischen Blut und Gewebezellen.
In den Alveolen findet der Gasaustausch über die dünne alveolokapilläre Membran statt. Bei normaler Atmung besteht ein kontinuierlicher Austausch: frische, sauerstoffreiche Luft mischt sich mit der funktionellen Residualkapazität (2,5–3 Liter), sodass alveoläre Gaspartialdrücke relativ konstant bleiben . Die alveoläre Sauerstoffkonzentration (O₂) liegt bei etwa 13,3 kPa (≈100 mmHg), während in der inspirierten Luft ca. 20 kPa (≈150 mmHg) O₂ enthalten sind . Kohlenstoffdioxid (CO₂) hingegen erreicht alveolär ~5,3 kPa (≈40 mmHg), gegenüber nahezu 0 in der Außenluft . Dadurch entsteht ein Partialdruckgefälle, das den Diffusionsprozess antreibt: Sauerstoff diffundiert von den Alveolen ins venöse Blut (wo pO₂ ~40 mmHg beträgt), und CO₂ diffundiert aus dem venösen Blut (pCO₂ ~46 mmHg) in die Alveolen. Die Diffusionsstrecke ist mit etwa 1–2 µm extrem kurz und die Austauschfläche enorm groß (geschätzt 70–140 m² beim Erwachsenen) . Unter diesen Bedingungen erfolgt der Großteil des Gasübertritts bereits in den ersten 0,5 Sekunden der Blutkontaktzeit mit der Alveole, was für einen effizienten Gasaustausch sorgt.
Damit eine ausreichende Oxygenierung des Blutes gewährleistet ist, müssen drei physiologische Voraussetzungen erfüllt sein: Ventilation, Diffusion und Perfusion. Erstens muss genügend Luft die Alveolen erreichen (Ventilation). Zweitens muss die alveoläre Membran intakt sein und einen ungestörten Gasaustritt und -eintritt erlauben (Diffusion). Drittens müssen die Lungenkapillaren ausreichend durchblutet werden (Perfusion). Eine Störung in einem dieser Schritte kann die Oxygenierung beeinträchtigen. Die zentrale Steuerung der Atmung erfolgt im Hirnstamm (Atemzentrum der Medulla oblongata), welches auf Änderungen des CO₂-Partialdrucks im Blut höchst empfindlich reagiert. Steigt der CO₂-Gehalt, wird die Atemtätigkeit reflektorisch gesteigert, während ein absinken des O₂-Gehalts einen sekundären Atemantrieb liefert. Somit stellt CO₂ den primären Atemantrieb dar: Ein gesunder Körper erhöht bei Hyperkapnie (zu viel CO₂ im Blut) die Atemfrequenz und -tiefe, um vermehrt CO₂ abzuatmen; umgekehrt dämpft eine Hypokapnie den Atemantrieb. Dieser Regelkreis hält den arteriellen pCO₂ normalerweise im Bereich von ~35–45 mmHg und den pH-Wert um 7,35–7,45 im Gleichgewicht.
Zusammenfassend bildet die Ventilation die Grundlage für den Gasaustausch. In den Alveolen diffundiert Sauerstoff ins Blut und bindet an Hämoglobin, während CO₂ aus dem Blut in die Lungenbläschen übertritt und abgeatmet wird. Dieser kontinuierliche Austausch gewährleistet die Versorgung aller Organe mit Sauerstoff und die Elimination von Kohlendioxid als Stoffwechselendprodukt. Bereits wenige Minuten ohne ausreichende Atmung führen zu Hypoxie, die besonders für empfindliche Organe wie das Gehirn rasch irreversiblen Schaden bedeutet. Daher sind die Mechanismen der Ventilation engmaschig reguliert und hochgradig redundant – vom Hustenreflex über die Chemorezeptoren bis zur Atemmuskulatur – um eine Ausfallsicherheit der lebenswichtigen Respirationsfunktion zu gewährleisten.
2. Pathophysiologie von Ventilationsstörungen
Eine Ventilationsstörung liegt vor, wenn die Atmung nicht ausreicht, um den Gasaustausch dem Bedarf entsprechend sicherzustellen. Dies kann sich in Dyspnoe (subjektiver Atemnot) und objektiven Zeichen der respiratorischen Insuffizienz äußern. Pathophysiologisch kann eine gestörte Atmung durch verschiedene Mechanismen verursacht werden. Grundsätzlich unterscheidet man vier Hauptmechanismen: Ventilationsstörungen, Perfusionsstörungen, Diffusionsstörungen sowie Störungen der zentralen Atemregulation. Häufig treten Mischformen auf, bei denen mehrere Faktoren beteiligt sind, aber einer davon überwiegt (z.B. kombiniert obstruktiv-diffuse Problematik bei COPD).
Diese Mechanismen können auch kombiniert auftreten. Beispielsweise weist eine schwere COPD-Exazerbation Aspekte der Ventilationsstörung (obstruktive Komponente) und Diffusionsstörung (Emphysem-bedingte Zerstörung der Austauschfläche) auf. Ein Patient mit Herzinsuffizienz und Lungenödem hat sowohl Perfusions- als auch Diffusionsprobleme (Stauungsflüssigkeit in Alveolen). In der Notfallmedizin spricht man von akuter respiratorischer Insuffizienz, wenn das arterielle Blut unzureichend mit O₂ gesättigt ist (SaO₂ < 90% bzw. PaO₂ < 60 mmHg auf Raumluft) oder eine Dekompensation mit Hyperkapnie eintritt. Äußeres Leitsymptom ist die Tachypnoe (Atemfrequenz > 20/Min) in Kombination mit Atemnot. Bleibt diese Situation unbehandelt, drohen Hypoxie-Schäden und ein Fortschreiten zum Atemstillstand bzw. Kreislaufstillstand durch Hypoxie.
Ventilationsstörungen im Rettungsdienst machen einen erheblichen Teil der Notfälle aus und sind potenziell lebensbedrohlich. Bei schwerer Ateminsuffizienz kann es zu Apnoe oder einem hypoxisch bedingten Herz-Kreislauf-Stillstand kommen. Daher ist ein Verständnis der Pathophysiologie essenziell, um schnell die Ursache einzugrenzen – ob z.B. eine Verlegung der Atemwege (wie Aspiration) vorliegt, ob ein Asthmaanfall (Obstruktion) oder ein Spannungspneumothorax (Restriktion) der Auslöser ist – und um gezielte lebensrettende Maßnahmen einzuleiten. Die nachfolgenden Abschnitte beleuchten die wichtigsten konkreten Ursachen von Ventilationsstörungen, ihre Unterscheidung (traumatisch vs. nicht-traumatisch) und das entsprechende prähospitale Management.
3. Klassifikation: traumatische vs. nicht-traumatische Ventilationsstörungen
Im Kontext des Rettungsdienstes lassen sich Ventilationsstörungen grob in zwei Kategorien einteilen: nicht-traumatische und traumatische Ursachen. Diese Klassifikation ist praktisch bedeutsam, da Ursache und Therapieschema meist unterschiedlich sind.
Klinisch unterscheiden sich die beiden Kategorien in der Vorgeschichte und teils auch im Befund: Bei traumatischen Ursachen findet man meist Zeichen des Traumas (Prellmarken, Wunden, Knochenbrüche, instabile Thoraxwand, subkutanes Emphysem etc.), während nicht-traumatische Atemnot oft „primär internistisch“ wirkt (z.B. Asthmatiker mit Giemen, feuchte Rasselgeräusche bei Lungenödem, Fieber und Husten bei Pneumonie). Auch das Zeitfenster unterscheidet sich: traumatische Ventilationsprobleme treten unmittelbar nach dem Ereignis auf, während nicht-traumatische je nach Ursache schleichender (Pneumonie über Tage) oder abrupt (Lungenembolie, Aspiration) auftreten können.
Für den Rettungsdienst bedeutet dies, dass parallel zur Sicherung der Vitalfunktionen immer eine Ursachenklärung betrieben werden sollte: Wurde der Patient verletzt oder deuten äußere Befunde auf ein Trauma hin? Oder handelt es sich um eine „medizinische“ Ursache? Diese Unterscheidung fließt in die Therapieentscheidungen ein – zum Beispiel würde bei einem Spannungspneumothorax (traumatisch) sofort eine Thoraxentlastung nötig, während bei einem Asthmaanfall (internistisch) bronchienerweiternde Medikamente im Vordergrund stehen. Im Folgenden werden zunächst die nicht-traumatischen Ursachenvon Ventilationsstörungen und dann die traumatischen Ursachen systematisch dargestellt.
4. Nicht-traumatische Ursachen von Ventilationsstörungen
Nicht-traumatische Ventilationsstörungen umfassen ein breites Spektrum akuter Erkrankungen, die zu schweren Atemproblemen führen können. Im Rettungsdienst sind hier insbesondere folgende Ursachen relevant:
Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) – Exazerbation
Die COPD ist eine chronische obstruktive Lungenerkrankung, meist Folge langjährigen Rauchens, die durch dauerhafte Verengung der Atemwege (Bronchialobstruktion) und Zerstörung des Lungenparenchyms (Emphysem) gekennzeichnet ist. In der Notfallmedizin spielt vor allem die akute Exazerbation der COPDeine Rolle, also die plötzliche Verschlechterung einer bestehenden COPD. Typische Auslöser sind Infektionen (Bronchitis/Pneumonie), Umweltreize oder mangelnde Therapieadhärenz. Pathophysiologisch kommt es durch Entzündung und Bronchospasmus zu einer verstärkten Obstruktion der kleinen Atemwege und vermehrter Schleimproduktion. Die ohnehin reduzierte Atemwegsweite nimmt ab, was vor allem die Exspiration beeinträchtigt – die Luft wird „gefangen“ (Air Trapping) und es entsteht eine Überblähung. Der Gasaustausch verschlechtert sich, insbesondere kann CO₂ nicht ausreichend eliminiert werden. Die Patienten entwickeln eine Hypoventilation mit Hyperkapnie (erhöhter CO₂-Gehalt) und Hypoxämie.
Klinisch zeigt eine COPD-Exazerbation häufig eine verlängerte Ausatmung mit Giemen und Brummen beidseits bei der Auskultation. Die Patienten sind dyspnoisch, oft tachypnoisch > 20/min, und benutzen ihre Atemhilfsmuskulatur (Fixierung der Arme, „Kutschersitz“). Eine Lippenzyanose oder generelle Zyanose kann auftreten, insbesondere wenn die O₂-Sättigung stark fällt. In schweren Fällen wirken die Patienten konfus oder schläfrig, was auf eine CO₂-Narkose hindeutet (erhöhter CO₂-Spiegel im Blut führt zu Bewusstseinstrübung). Ein Hinweis kann auch eine CO₂-Retention über längere Zeit sein: Angehörige berichten evtl., dass der Patient in den letzten Tagen zunehmend benommen wirkte (Zeichen der Hyperkapnie). Vitalparameter zeigen meist eine Tachykardie, eventuell Anzeichen einer beginnenden Rechtsherzbelastung (z.B. Unterschenkelödeme oder gestaute Halsvenen können bei cor pulmonale auftreten). Die periphere Sauerstoffsättigung ist in Raumluft oft deutlich reduziert (häufig < 90%, in einem Fallbeispiel 80% bei Eintreffen des Rettungsdienstes).
Maßnahmen im Rettungsdienst bei COPD-Exazerbation zielen darauf ab, Oxygenierung zu verbessern, die Atemwege zu erweitern und drohendes Atemversagen abzuwenden. Sofort sollte hochdosiert Sauerstoff gegeben werden, jedoch kontrolliert: Ein initialer O₂-Fluss (z.B. 2–4 l/min über Nasenbrille) kann ausreichen, um die SpO₂ in einen akzeptablen Bereich (ca. 88–92%) anzuheben. Tatsächlich wird bei bekannter COPD empfohlen, die Sättigung nicht übermäßig hoch zu treiben, um eine weitere CO₂-Retention zu vermeiden – nach aktueller Leitlinie soll bei Patienten mit Risiko eines hyperkapnischen Versagens O₂ erst bei SpO₂ < 88% gestartet und bei > 92% eher reduziert werden. Dennoch gilt im Notfall: Hypoxie vermeiden! Lieber moderat O₂ geben und engmaschig überwachen. Zusätzlich werden bronchodilatierende Medikamente eingesetzt. Im Rettungsdienst kann der Notfallsanitäter nach Algorithmus z.B. ein inhalatives Salbutamol vernebeln (2,5 mg in 5 ml NaCl). Wird keine ausreichende Besserung erzielt, folgt zusätzlich Ipratropiumbromid (0,5 mg vernebelt). Die Kombination aus Beta-2-Sympathomimetikum und Anticholinergikum adressiert die bronchiale Obstruktion effektiv. Zudem ist – sofern vom Protokoll abgedeckt oder ein Notarzt anwesend – die Gabe von Kortikosteroiden indiziert (z.B. Prednisolon 100 mg i.v.), um die Entzündungsreaktion in den Atemwegen abzuschwächen. In sehr schweren Fällen (Status asthmaticus/COPD mit drohendem Versagen) kann ein Notarzt zusätzlich ein Theophyllin-Derivat oder Reproterol i.v. erwägen, wobei Theophyllin heute eher zurückhaltend eingesetzt wird (im Algorithmus 2021 für MKK wurde Theophyllin sogar entfernt ).
Bei drohender Erschöpfung und CO₂-Narkose (Patient somnolent, Atemfrequenz fällt ab) muss eine Unterstützung der Ventilation erfolgen. Ideal ist eine nicht-invasive Ventilation (NIV) mittels CPAP/BiPAP-Maske, sofern verfügbar. Studien zeigen, dass prähospitale CPAP-Therapie bei akut respiratorischer Insuffizienz – z.B. auch bei COPD – machbar ist und häufig die Intubation vermeiden kann. Sie reduziert die Atemarbeit, rekrutiert kollabierte Lungenareale und verbessert den Gasaustausch, was die Atemnot des Patienten oft rasch lindert. Wichtig ist, dass CPAP für den Patienten gut tolerierbar sein muss; eine eng anliegende Maske kann initial Stress verursachen. Mit Beruhigung und Erklärung lässt sich dies aber meist überwinden. CPAP unterstützt den COPD-Patienten, indem es die Bronchien offengehält, die funktionelle Residualkapazität erhöht und Atelektasen verhindert oder auflöst, zudem reduziert es pulmonale Shunts. Tatsächlich wird CPAP als „oft einziges Mittel, eine Intubation bei respiratorisch insuffizienten COPD-Patienten zu vermeiden“ beschrieben. Sollte NIV nicht verfügbar oder kontraindiziert sein (etwa bei Bewusstlosigkeit oder Schutzreflex-Ausfall), bleibt als Ultima Ratio die endotracheale Intubation mit kontrollierter Beatmung. Dies ist bei hyperkapnischen COPD-Patienten riskant (schwieriges Weaning später, Barotrauma durch Überblähung), aber im Versagen unvermeidlich. Wichtig ist dann eine lungenprotektive Beatmung mit verlängerten Exspirationszeiten, um Auto-PEEP zu vermeiden.
Asthma bronchiale – akuter Asthmaanfall
Asthma bronchiale ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung der Atemwege mit anfallsweise auftretender obstruktiver Ventilationsstörung. Auslöser können Allergene, Infekte, körperliche Anstrengung oder psychischer Stress sein. Pathophysiologisch kommt es im Anfall zu drei Veränderungen: Bronchospasmus(Verkrampfung der glatten Muskulatur der Bronchien), Schleimhautödem (Schwellung der Bronchialschleimhaut) und Dyskrinie (zähe Schleimsekretion in den Atemwegen). Diese führen gemeinsam zu einer Verengung v.a. der kleineren Bronchialäste und damit zu einer ausgeprägten Erschwerung der Ausatmung. Insbesondere der Bronchospasmus macht das Ausatmen aktiv und prolongiert (verlängertes Exspirium). In schweren Fällen verbleibt zunehmend Luft in der Lunge (Air trapping), was zu einer Überblähung und steigenden intrathorakalen Drücken führt – im Extremfall kann ein „Pseudo-Spannungspneu“ durch massiv überblähte Lungen resultieren.
Symptome: Ein akuter Asthmaanfall äußert sich in hochgradiger Atemnot, meist exspiratorischem Stridorbzw. Giemen/Pfeifen hörbar insbesondere auf der Ausatmung. Die Patienten sind typischerweise unruhig, ängstlich und nehmen eine aufrechte Haltung ein, oft mit abgestützten Armen (Atemhilfsmuskulatur-Einsatz). Die Ausatemphase ist deutlich verlängert und von einem keuchend-pfeifenden Atemgeräusch begleitet. Viele Asthmatiker zeigen eine sogenannte Orthopnoe, d.h. die Atemnot verschlimmert sich im Liegen – sie wollen sitzen oder stehen. Tachykardie >100/min ist häufig, teils sichtbare Halsvenenstauung durch die forcierte Exspiration (intrathorakaler Druck erhöht). Die Haut kann blass-grau oder zyanotisch und schweißnass-kalt sein. Ein wichtiger Schweregradmarker ist die Sprechdyspnoe: Patienten, die kaum mehr sprechen können (nur einzelne Worte pro Atemzug), haben meist einen lebensbedrohlichen Anfall. Auch Erschöpfungszeichen wie Bewusstseinstrübung, abnehmendes Atemgeräusch („silent chest“) und nachlassende Tachypnoe bei anhaltender Obstruktion sind Alarmzeichen – sie weisen auf ein imminent drohendes Atemversagen hin.
Therapie im Rettungsdienst: Oberste Priorität hat die Beruhigung und Lagerung des Patienten. Panik verschlechtert die Lage, da Stresshormone die Bronchokonstriktion verstärken können. Ruhiges, emphatisches Auftreten des Rettungsteams, Erklärung der Maßnahmen und ggf. Anleitung zur Lippenbremse (gegen die halbgekniffenen Lippen ausatmen) sind einfache, aber wirksame Schritte. Medikamentös steht die rasche Bronchodilatation im Vordergrund: Inhalative β₂-Sympathomimetika wie Salbutamol sind Mittel der Wahl. Bereits der Ersteinsatz durch den Patienten selbst (Spray) sollte unterstützt werden, falls vorhanden. Im Rettungsdienst wird typischerweise Salbutamol per Vernebler gegeben (2,5 mg). Dieses kann – sofern kein Erfolg – nach einigen Minuten wiederholt werden. Ergänzend wirkt Ipratropiumbromid(Parasympatholytikum) bronchienerweiternd und wird oft kombiniert vernebelt (0,5 mg). Studien und Leitlinien empfehlen diese Kombitherapie bei akutem Asthma. Die Algorithmen im Rettungsdienst sehen entsprechend vor: Salbutamol vernebeln, bei unzureichender Besserung Ipratropium vernebeln. Zusätzlich sollte frühzeitig ein systemisches Kortikosteroid gegeben werden (100 mg Prednisolon i.v. oder 250 mg Methylprednisolon i.v. als Bolus) – dies wirkt zwar erst nach 30–60 Minuten, verhindert jedoch das Progredieren der Entzündungsreaktion und verkürzt die Dauer des Anfalls. Ein Notarzt kann bei schwerem Asthma auch Magnesiumsulfat (2 g i.v. langsam) einsetzen, was eine bronchienerweiternde Wirkung hat. Dessen Nutzen ist umstritten, wird aber in Leitlinien bei schwerem Verlauf als Option genannt.
Sauerstoffgabe ist beim Asthmaanfall indiziert, wenn eine relevante Hypoxie besteht. Da Asthma-Patienten meist jung und ohne chronische Hyperkapnie sind, kann ruhig liberal O₂ gegeben werden – Ziel ist eine SpO₂ > 94%. Praktisch erhalten die meisten Asthmapatienten 4–6 l O₂ über Nasenbrille oder Maske, um die begleitende Hypoxämie zu korrigieren. Eine vorsichtige Dosierung ist nur bei gleichzeitiger COPD angezeigt.
Sollte der Patient trotz aller Maßnahmen in einen Status asthmaticus (lang anhaltender schwerster Anfall) geraten und Anzeichen eines Atemversagens zeigen (Ermüdung, CO₂-Anstieg, Bewusstseinseintrübung), muss eine Eskalation erfolgen. Hier ist – sofern verfügbar – die NIV-Therapie einen Versuch wert. Mit einer druckunterstützten Beatmung (BiPAP) kann die Atemarbeit reduziert und die Ventilation verbessert werden. Allerdings ist Asthma mit sehr hohen Atemwegswiderständen verbunden, und die Patienten tolerieren die Maske nicht immer. Wenn eine maskengestützte Beatmung nicht möglich oder unzureichend ist, bleibt als Ultima Ratio die Intubation und kontrollierte Beatmung in Narkose. Dies ist ein kritischer Schritt: Asthmatiker sind oft schwierig zu intubieren (Laryngospasmus-Risiko) und vor allem schwierig zu beatmen (sehr hohe Beatmungsdrücke nötig, Gefahr des Barotraumas). Bei intubierten Asthmatikern muss der Beatmungsbeutel gelegentlich vom Tubus getrennt werden, um ein entlastendes Ausatmen („Dekompensation des Auto-PEEP“) zu ermöglichen. Die ERC-Leitlinien empfehlen bei asthmabedingtem Herz-Kreislauf-Stillstand sogar intermittierende Unterbrechungen der Beatmung, um ein „Air trapping“ zu vermindern. Glücklicherweise lassen sich die meisten Asthmaanfälle prähospital mit den genannten konservativen Maßnahmen beherrschen, so dass eine Intubation nur selten nötig wird. Wichtig ist die kontinuierliche Überwachung: lässt die Atemanstrengung plötzlich nach oder verschlechtert sich die Bewusstseinslage, muss umgehend eine kontrollierte Beatmung eingeleitet werden, da dies Zeichen eines bevorstehenden Atemstillstands sein können.
Lungenödem (kardial bedingt)
Ein akutes Lungenödem ist eine häufige notfallmäßige Ursache von Atemnot, insbesondere bei älteren Patienten mit Herzerkrankungen. Umgangssprachlich spricht man von „Wasser in der Lunge“. Dabei tritt Flüssigkeit aus den Lungenkapillaren in das Interstitium und die Alveolen über, was den Gasaustausch dramatisch beeinträchtigt. Zu unterscheiden sind das kardiale Lungenödem (durch akute Linksherzschwäche, z.B. bei Myokardinfarkt oder hypertensiver Krise) und das nicht-kardiale bzw. toxisch-entzündliche Lungenödem (z.B. bei Inhalationstrauma, Sepsis/ARDS). Im Rettungsdienst ist das kardiale Lungenödem weitaus häufiger. Hier führt ein akutes Versagen der linken Herzkammer dazu, dass das Blut aus dem Lungenkreislauf nicht ausreichend weitergepumpt wird. Es kommt zum Druckanstieg in den pulmonalen Gefäßen und dadurch zum Übertritt von Flüssigkeit erst ins Interstitium, dann in die Alveolen. Die Lungenbläschen „fluten“ und können kaum mehr Sauerstoff ins Blut übertragen.
Symptome: Patienten mit akutem Lungenödem präsentieren sich hochgradig dyspnoisch, oft mit brodelndem Atemgeräusch und Rasseln über die Lunge (feuchte Rasselgeräusche). Typisch ist ein schaumiger, rosa Sputum – das schaumige Sekret kann aus Mund und Nase treten (durch Luftaufschäumen von blutigem Transsudat). Die Patienten sitzen aufrecht und ringen panisch nach Luft (Orthopnoe), oft sprechen sie kaum mehr. Sie sind blass oder zyanotisch, kaltschweißig und extrem unruhig (Todesangst). Häufig besteht eine Tachypnoe > 30/Min bei flacher Atmung. Kardiale Begleitsymptome können auftreten, z.B. Tachykardie oder im Gegenteil ein Zeichen der Erschöpfung: ein schwacher, ggf. arrhythmischer Puls. Der Blutdruck kann hoch sein (kardiales Lungenödem durch Hypertonie) oder bei kardiogenem Schock schon niedrig. Ein Lungenödem infolge Linksherzversagens tritt oft plötzlich in der Nacht auf („Asthma cardiale“), die Patienten wachen mit schwerster Atemnot auf. Eine anamnestische Herzkrankheit (Herzinfarkt, Herzinsuffizienz) ist meist bekannt.
Therapie: Das kardiale Lungenödem erfordert rasche und gleichzeitig gezielte Maßnahmen. An erster Stelle steht die Sauerstoffgabe in hoher Konzentration, da eine schwere Hypoxämie vorliegt. Per Maske mit Reservoir werden 10–15 l O₂/min verabreicht, um die SpO₂ über 94% zu bringen (falls möglich). Parallel dazu wird – wenn verfüg- und anwendbar – sofort eine CPAP-Therapie begonnen. CPAP (Continuous Positive Airway Pressure) ist für das akute kardiale Lungenödem eine der wirksamsten Therapien: Durch den positiven Druck werden alveoläre Flüssigkeitseinstiege reduziert, bereits kollabierte Alveolen wieder geöffnet und die Oxygenierung verbessert sich rasch. Außerdem entlastet CPAP das rechte Herz, indem es den Vorlast-Rückstrom etwas vermindert, und reduziert die Atemarbeit, was dem Patienten subjektiv enorme Erleichterung verschafft. Studien zeigen, dass prähospitales CPAP bei Lungenödem die Intubationsrate signifikant senken kann und möglicherweise auch die Mortalität reduziert. Eine Arbeit aus Mittelhessen ergab, dass durch CPAP vor Klinik deutlich weniger Patienten intubiert werden mussten, was mit einer Trend-Senkung der Krankenhaussterblichkeit einherging. Demnach ist der präklinische Einsatz von CPAP beim akuten kardialen Lungenödem ausdrücklich zu empfehlen – jede Minute zählt, und CPAP verschafft typischerweise 30–45 Minuten Therapie-Vorsprung gegenüber dem Warten bis zur Klinik.
Neben CPAP werden medikamentös vor allem Nitroglycerin und Diuretika eingesetzt, je nach Blutdruck. Nitroglycerin (Nitrospray) sublingual oder als Kurzinfusion erweitert die venösen Gefäße und senkt die Vorlast, was das gestaute Lungenkreislaufsvolumen entlastet. Die Anwendung ist insbesondere bei hypertonem Lungenödem sinnvoll (z.B. RR > 150 mmHg). Oft werden 2 Hübe Nitrospray verabreicht und bei ausreichendem Druck alle paar Minuten wiederholt. Vorsicht: Bei niedrig-normalem Blutdruck kann Nitro zu starkem Abfall führen, dann zurückhaltend dosieren. Schleifendiuretika wie Furosemid (20–40 mg i.v.) werden klassisch gegeben, um die Ausschwemmung der Flüssigkeit zu fördern. Allerdings wirken Diuretika nicht sofort (Wirklatenz ca. 15–30 Minuten) und sind präklinisch eher von nachgeordneter Priorität. Neuere Leitlinien stellen die Diuretika hinten an zugunsten von CPAP und Nitrat. Dennoch: Bei klarer Überwässerung (Beinödeme, gestaute Halsvenen) und sofern kein Schock vorliegt, ist Furosemid indiziert, um die Flüssigkeitslast zu reduzieren – oft wird es während des Transports gegeben.
Ruhigstellung und Sedierung können erwogen werden, da Patienten mit Lungenödem oft hochgradig agitiert sind. Kleine Dosen Morphin (2–5 mg i.v.) können doppelt günstig wirken: angstlösend und leicht vasodilatierend. Morphin ist aber vorsichtig zu dosieren (Atemdepression meiden!). In manchen Regionen wird statt Morphin eher Benzodiazepin niedrigdosiert zur Anxiolyse gegeben, um die CPAP-Toleranz zu verbessern.
Der Patient wird möglichst sitzend gelagert, die beengende Kleidung gelöst. Extremitätenabhängung (Beine tief) wurde früher als entlastende Maßnahme gelehrt, hat aber in Studien wenig Evidenz und ist praktisch beim Transport schwer durchführbar. Wichtig ist die Überwachung: Diese Patienten können rasch dekompensieren. Eine kontinuierliche SpO₂-Messung, EKG und Blutdruckkontrolle sind obligat. Bei Anzeichen von Erschöpfung (Af < 10, Bewusstsein sinkt) oder fehlender Besserung trotz CPAP und maximaler Therapie sollte ein Notarzt den Patienten intubieren und beatmen – dies bleibt die Ultima Ratio, aber beim Lungenödem mit fulminantem Verlauf (z.B. „flash pulmonary edema“) manchmal erforderlich.
Zusammengefasst gilt das akut kardiale Lungenödem als therapieintensiver Notfall, in dem der Rettungsdienst viel bewirken kann: CPAP, Nitroglycerin, O₂, Beruhigung – diese Maßnahmen entscheiden oft, ob der Patient stabil die Klinik erreicht oder prähospital reanimationspflichtig wird. Fachgesellschaften wie die ESC und DGK (Kardiologie) betonen die schnelle Vor-Ort-Therapie: Bereits die ersten Minuten mit CPAP und Nitro verbessern die Prognose erheblich, weshalb ein Zuwarten bis zum Krankenhaus fatal sein kann. Mit adäquater Therapie stabilisieren sich viele Patienten soweit, dass sie den Transport tolerieren und in der Klinik weiterführende Maßnahmen (z.B. Behandlung der Herzursache) erhalten können.
Fremdkörperaspiration
Eine akut lebensbedrohliche Ventilationsstörung stellt die Fremdkörperaspiration dar, d.h. das Einatmen eines Fremdkörpers mit Verlegung der Atemwege. Klassische Szenarien sind ein Kleinkind, das ein Spielzeugteil verschluckt, oder ein älterer Mensch, der sich beim Essen verschluckt (z.B. Fleischstück). Aber auch im Rahmen eines Traumas oder Bewusstseinsverlustes kann es zur Aspiration von festen oder flüssigen Materialien kommen – z.B. Aspiration von Erbrochenem oder Blut, was in Abschnitt 5 näher behandelt wird. Hier in den nicht-traumatischen Ursachen betrachten wir primär die Bolusaspiration in den Atemwegen.
Pathophysiologie: Wenn ein Fremdkörper (Essen, Objekt) in den Kehlkopf oder die Trachea gerät, kommt es reflexartig zu Hustenstößen. Bleibt der Fremdkörper stecken – oft in der Glottis oder Hauptbronchus – resultiert eine teilweise oder vollständige Atemwegsobstruktion. Bei vollständigem Verschluss (z.B. Bolus in der Trachea) tritt sofort ein Erstickungsnotfall ein: Die Betroffenen können nicht mehr sprechen oder husten, es ist kein Luftstrom mehr hörbar, oft greifen sie ans Hals (klassisches Zeichen) und verlieren in wenigen Minuten das Bewusstsein aufgrund der Hypoxie. Bei teilweiser Verlegung (z.B. Fremdkörper in einem Hauptbronchus) sieht man heftiges Husten, Atemnot, Stridor oder einseitige Atemgeräusche. Die Gefahr ist, dass der Fremdkörper weiter rutscht oder die Atemwege durch Schwellung reflektorisch eng werden (Laryngospasmus). Selbst eine anfangs partielle Verlegung kann schnell zur kompletten Blockade eskalieren.
Symptome: Initial oft dramatische Szene – plötzlicher Hustenanfall beim Essen/Spielen, dann apnoische Atemversuche. Ist der Patient bei Bewusstsein, besteht panische Erstickungsangst, Zyanose, nach Luft ringen. Ein lauter Stridor kann hörbar sein, allerdings gilt: Bei “silent choking” (stillem Würgen ohne Geräusch) ist der Atemweg komplett dicht – ein extrem kritisches Zeichen. Bei Kindern kann ein inspiratorischer Stridor, Unfähigkeit zu schreien/weinen und hochroter bis zyanotischer Kopf auf Fremdkörper hindeuten. Oft geht dem Notruf die Schilderung voraus: „Er hat sich verschluckt, bekommt keine Luft.“ Bei teilweiser Obstruktion kann der Patient noch etwas Luft bekommen: lautes Husten, röchelndes Atemgeräusch, angestrengte Atmung. Dennoch ist die Ventilation insuffizient, rasch entwickeln sich Hypoxie-Zeichen (Zyanose, Bewusstseinstrübung). Unbehandelt kann eine Aspiration in kurzer Zeit (3–5 Minuten) zum Bewusstseinsverlust und Herz-Kreislauf-Stillstand führen.
Maßnahmen: Die internationalen Guidelines (ERC, ILCOR) geben klare Handlungsanweisungen: Bei schwerer Verlegung (Patient kann nicht mehr effektiv husten/sprechen) sind sofort Heimlich-Manöver(abdominale Oberbauchkompressionen) oder bei Kleinkindern Rückenschläge und Thoraxkompressionendurchzuführen. Der Rettungsdienst trifft manchmal ein, wenn Laien bereits Maßnahmen ergriffen haben. Man sollte erfragen: Hat jemand Heimlich-Handgriff gemacht? Wurde etwas aus dem Mund geholt? Als Profi kann man versuchen, unter Sicht mit Magill-Zange in der oberen Atemwege einen Fremdkörper zu entfernen, falls sichtbar. Ansonsten gilt beim bewusstlosen Aspirationspatienten: Reanimation beginnen (CAB-Schema). Bei Bewusstlosigkeit soll man laut Leitlinien umgehend mit Thoraxkompressionen beginnen; die Beatmung in solch einem Fall ist schwierig, aber man versucht während der HLW auch immer wieder zu schauen, ob der Fremdkörper mit dem Laryngoskop erreichbar ist. Eine frühzeitige endotracheale Intubation ist anzustreben, sofern möglich, da ein Tubus – wenn er am Objekt vorbeikommt – zumindest einen Lungenflügel belüften kann. Allerdings ist die Intubation bei vollem Magen/Erbrochenem-Risiko (Aspiration geht oft mit Erbrechen einher) und ohne Sicht sehr anspruchsvoll. Alternativ kann ein koniotomie (Notfallkoniotomie) ultima ratio sein, wenn der obere Atemweg blockiert ist (z.B. Bolus im Kehlkopf, der sich nicht entfernen lässt). Die Koniotomie verschafft einen direkten Zugang unterhalb des Kehlkopfes. Sie ist absolut indiziert bei kompletter Verlegung mit intubationsunmöglicher Situation, bevor der Patient stirbt.
Wenn der Fremdkörper nur teilweise aspirierte wurde (z.B. steckt in einem Bronchus), stabilisiert man den Patienten bestmöglich (O₂, Lagerung, Beruhigen, inhalative Bronchodilatatoren können Reflexbronchospasmus lösen) und fährt rasch in eine Klinik mit Bronchoskopie-Bereitschaft. Wichtig: Absaugbereitschaft herstellen – bei Aspiration von flüssigem Material (Erbrochenes, Blut) muss der Rachenraum umgehend abgesaugt werden, um weitere Penetration in die Tiefe zu verhindern. Im Falle von Mageninhalt: den Kopf des Patienten überstrecken und zur Seite drehen (Absaugen), wenn bewusstlos, ansonsten aufrecht halten und zum Husten ermutigen. Bei leichter Aspiration (Patient kann noch husten) gilt: Nicht sofort ins Heimlich-Manöver, sondern zum Husten anleiten – der Patient sollte den Fremdkörper möglichst selbst hochbefördern. Strengt er sich an, kann man ggf. unterstützend zwischen die Schulterblätter klopfen. Das Heimlich-Manöver ist eher bei völliger Blockade angezeigt oder wenn Husten versagt.
Die Nachsorge einer Aspiration ist wichtig: Selbst wenn der Fremdkörper entfernt wurde, drohen Spätkomplikationen. Häufig entwickeln Patienten nach Aspiration eine Aspirationspneumonie, insbesondere wenn Mageninhalt aspiriert wurde (Magensäure verätzt die Lunge). Diese kann Stunden bis Tage später auftreten und ist oft schwer. Daher gehört jeder nennenswerte Aspirationsvorfall in die Klinik zur Überwachung. Auch kleinere, tiefer gerutschte Fremdkörper müssen via Bronchoskopie entfernt werden, da sie sonst Infekte und Atelektasen verursachen.
Insgesamt zählt die Fremdkörperaspiration zu den „Time-critical“ emergencies: Der Rettungsdienst muss hier innerhalb von Minuten handeln – entweder durch effektives Manöver (Heimlich etc.) oder letztlich durch Beatmungs- und Reanimationsmaßnahmen – um das Leben zu retten. Präventiv sind Aufklärung (Kinder keine Kleinteile spielen lassen beim Essen etc.) und bei Risikopatienten (Schluckstörungen) entsprechende Vorsichtsmaßnahmen essenziell.
Zentrale Atemdepression (Intoxikation)
Bei einer zentralen Atemdepression wird die Atemantriebsfunktion im Gehirn beeinträchtigt. Eine häufige Ursache im Notfall ist die Intoxikation mit Atemdepressiva – allen voran Opioide (z.B. Heroin, Morphin) oder Benzodiazepine in Überdosierung. Auch Alkohol in sehr hoher Konzentration, Barbiturate oder Propofol (bei Sedierung) können die Atemfrequenz drastisch senken. Pathophysiologisch dämpfen diese Substanzen das Atemzentrum in der Medulla oblongata, sodass trotz steigender CO₂-Werte keine adäquate Atemsteigerung erfolgt. Die Folge ist eine Hypoventilation bis Apnoe, was rasch zu einem Anstieg des pCO₂ (Hyperkapnie) und Abfall des pO₂ führt. Der resultierende CO₂-Anstieg (ggf. auf > 60 mmHg) führt zu einer respiratorischen Azidose, da CO₂ im Blut Kohlensäure bildet. Symptomatisch werden die Patienten zunächst somnolent, später bewusstlos; typisch ist eine Bradypnoe oder Schnappatmung. Bei Opiaten sind z.B. eine Atemfrequenz < 8/min und pinpoint-Pupillen (Miosis) klassische Zeichen. Auch Mischintoxikationen (etwa Benzodiazepin plus Alkohol) führen zu gefährlicher Atemdepression.
Symptome: Im Rettungsdienst findet man die Patienten oft mit Bewusstseinsstörung vor – von Benommenheit bis tiefes Koma, abhängig von Substanz und Dosis. Die Atmung ist auffällig langsam und oberflächlich (Bradypnoe, < 8 Atemzüge/Min) oder es liegen längere Atempausen vor (apnoische Intervalle). Die Haut kann blass oder zyanotisch sein je nach Oxygenierungsgrad. Der Blutdruck ist häufig niedrig (zentraldämpfende Substanzen senken auch den Tonus), der Puls kann variabel sein. Wichtig ist dieAnamnese bzw. Umfeldinformation: leere Tablettenblister, Spritzbesteck, Drogenszeneumgebung oder Zeugenaussagen („er hat Heroin konsumiert“) geben Hinweise. Pupillenreaktion prüfen: bei Opioiden meist stecknadelkopfgroße Pupillen, bei vielen anderen Intoxikationen aber evtl. weite Pupillen.
Maßnahmen: Primär gilt es, die Atemwege freizumachen und zu sichern. Ein bewusstloser Intoxikationspatient liegt oft auf dem Rücken – Aspirationsgefahr! Freimachen durch Esmarch-Handgriff, Inspektion (Erbrochenes entfernen, absaugen bei Bedarf) ist essenziell. Dann je nach Atmung: Ist eine ausreichende Spontanatmung vorhanden (AF > 10, suffiziente Tiefe)? Falls nein oder Zweifel: Beatmung unterstützen! Beim narkotischen Opioid-Überhang kann oft schon eine beherzte Masken-Beutel-Beatmung mit 100% O₂ den Patienten vor Hypoxie bewahren, während man das Antidot gibt. Also: Hochdosiert O₂ geben, und wenn AF < 8 oder SpO₂ < 90% → Beutel-Maske-Beatmung mit Reservoir und entsprechend hoher O₂-Konzentration. Idealerweise nutzt man ein Guedel-Tubus (Wendl-Tubus) zur Freihaltung der Atemwege.
Das spezifische Antidot bei opioidbedingter Atemdepression ist Naloxon. Dieses Opiatantagonist hebt die Wirkung am μ-Rezeptor auf und führt i.d.R. binnen 1–2 Minuten zu einer deutlichen Steigerung der Atemfrequenz sowie Bewusstsein. Im Rettungsdienst wird Naloxon i.v. gegeben (typische Initialdosis 0,4 mg i.v., repetitiv titrieren bis Wirkung). Alternativ i.m. oder intranasal bei fehlendem i.v.-Zugang. Wichtig ist, vorsichtig zu dosieren – ein vollständiges „Aufwachen“ kann bei Abhängigen ein Entzugssyndrom auslösen, zudem schlägt der Patient evtl. plötzlich um sich. Ziel ist primär das Wiedererlangen eines adäquaten Atemantriebs, nicht zwingend volles Bewusstsein. Naloxon hat eine kürzere Wirkdauer als manche Opioide, weshalb eine Wiederholung nach einigen Minuten nötig sein kann, um eine erneute Atemdepression zu verhindern. Bei Benzodiazepin-Überdosis existiert als Antidot Flumazenil; dies wird aber im Rettungsdienst nur zurückhaltend genutzt, da es bei Mischintoxikationen Krampfanfälle auslösen kann und Benzodiazepine eher selten allein tödlich sind. Meist steht dort die unterstützte Beatmung im Vordergrund und ggf. Naloxon, falls Opiate beteiligt.
Sollte keine substanzspezifische Therapie möglich sein (z.B. unbekannte ZNS-Depressiva oder Mixed Intake), bleibt die Atemwegssicherung zentral. Bei tiefer Bewusstlosigkeit (GCS < 8) und ungeschützten Atemwegen sollte möglichst früh eine endotracheale Intubation erfolgen – zumindest wenn kein Antidot greift. Dies schützt vor Aspiration und ermöglicht kontrollierte Ventilation. In manchen Gegenden dürfen Notfallsanitäter im Rahmen von SOPs bei narkotischen Intoxikationen vor Notarzteintritt bereits Naloxon nasal geben, was in vielen Fällen die Intubation überflüssig macht, weil der Patient wieder spontan atmet.
Neben Intoxikationen sind auch neurologische Notfälle wie Schädel-Hirn-Traumata, Hirnblutungen oder hoch zervikale Rückenmarksverletzungen mögliche Ursachen zentraler Atemlähmung – diese würden hier aber als traumatisch eingeordnet. Zu erwähnen ist noch die CO₂-Narkose bei chronisch hyperkapnischen COPD-Patienten: Hier sinkt der Atemantrieb aufgrund des hohen CO₂-Spiegels, vor allem wenn viel Sauerstoff gegeben wird (der geringe O₂-Antrieb wird dann auch noch genommen). Diese Patienten sind oft somnolent mit flacher Atmung. Therapie ist differenziert: man will sie ventilatorisch unterstützen (ggf. NIV) und vorsichtig O₂ geben, aber unbedingt eine Atemdepression vermeiden. Eine CO₂-Narkose lässt sich letztlich auch nur durch Verbesserung der Ventilation beheben – z.B. mit CPAP/BiPAP; im Notfall auch Intubation.
Zusammenfassend ist bei zentraler Atemdepression das frühzeitige Erkennen (Bewusstseinsniveau, Atemfrequenz!) und die rasche Stützung der Atemfunktion lebensrettend. Die Mortalität unbehandelter Opiatüberdosierungen war früher sehr hoch – dank Naloxon und rascher BLS-Maßnahmen (Atemspende) überleben heute viele solcher Patienten. Aber jeder Patient mit potenzieller Atemdepression muss engmaschig überwacht werden, da die Situation jederzeit kippen kann. Im Zweifel lieber früh ventilatorisch unterstützen als zuzuwarten.
Metabolische und neurologische Ursachen
Auch metabolische Entgleisungen und neurologische Ereignisse können Ventilationsstörungen verursachen, teils indirekt über Bewusstseinsverlust, teils direkt über Atemmuster-Veränderungen.
Ein Beispiel ist die Hypoglykämie (stark erniedrigter Blutzucker). Ein Patient mit schwerer Hypoglykämie kann in einen hypoglykämischen Schock mit Bewusstlosigkeit fallen. Dadurch verliert er Muskeltonus und Schutzreflexe, was zu Verlegung der Atemwege (Zurücksinken der Zunge, Aspiration) und Hypoventilation führen kann. Häufig sind bewusstlose Diabetiker am Notfallort mit flacher Atmung, ggf. Aspiration von Erbrochenem, und Zyanose vorzufinden. Hier ist zwar der primäre Auslöser metabolisch, aber die resultierende Ventilationsstörung bedarf der gleichen Versorgung wie andere: Atemweg freimachen, ggf. Intubation und Beatmung, parallel Glukosegabe als Ursachebehebung. Nach Glukose i.v. verbessern sich Bewusstsein und damit Atmung oft schlagartig.
Ein anderes metabolisches Beispiel ist das diabetische Koma bei Ketoazidose. Hier tritt im Gegenteil eine Hyperventilation auf (Kussmaul-Atmung): der Körper versucht, die metabolische Azidose durch Abatmung von CO₂ zu kompensieren. Diese vertiefte, regelmäßige Atmung ist zwar an sich keine Ventilationsstörung, kann aber den Rettungsdienst alarmieren, da die Atemmuster pathologisch ist. Wichtig ist, das nicht mit einer psychogenen Hyperventilation zu verwechseln. Bei der Ketoazidose-Hyperventilation liegt ein Acetongeruch in der Luft, der Patient ist meist bewusstseinsklar bis leicht benommen, und es besteht eine bekannte Diabetesanamnese. Therapeutisch richtet es sich gegen die Grunderkrankung (Insulin, Elektrolyte), die Atmung selbst muss man nicht dämpfen – sie ist kompensatorisch sinnvoll.
Krampfanfall (zerebraler Anfall): Während eines generalisierten epileptischen Anfalls kann die Atmung unregelmäßig oder zeitweise aussetzen. Danach im postiktalen Zustand sind viele Patienten bewusstlos oder soporös und atmen insuffizient. Zudem besteht eine hohe Aspirationsgefahr durch Zungenbiss oder Erbrochenes. Der Rettungsdienst muss nach einem Krampfanfall in erster Linie für eine freie Atemweg sorgen (ggf. stabile Seitenlage bei Spontanatmung, Absaugen von Sekret) und die Atmung beurteilen. Wenn der Patient nicht ausreichend atmet (z.B. nach Status epilepticus erschöpft), muss beatmet werden. Nicht selten erleiden Epileptiker postiktal eine Atemdepression durch Erschöpfung und die Wirkung von i.v. Benzodiazepinen (gegeben zur Anfallskupierung). Hier ist ggf. eine kurzzeitige Maskenbeatmung oder sogar Intubation sinnvoll, bis die ZNS-Funktion zurückkehrt. Bei Status epilepticus, der relaxiert und intubiert werden muss, entsteht eine kontrollierte Beatmungssituation – dies wird in der Regel durch Notarzt durchgeführt.
Stroke (Schlaganfall): Insbesondere bei Hirnstamminfarkten oder großen Blutungen kann das Atemzentrum betroffen sein. Man sieht dann atypische Atemmuster wie Cheyne-Stokes-Atmung (periodisches An- und Abschwellen der Atemtiefe mit Pausen) oder zentrale neurogene Hyperventilation. Diese Patienten haben oft auch eine Aspirationsproblematik (Schluckstörung) und reduzierte Vigilanz. Ein ShtH (schweres Schädel-Hirn-Trauma) gehört eher zum Trauma-Bereich, kann aber auch Atemstillstand verursachen (z.B. bei Hirnstammzerstörung).
Infektiöse Ursachen im neurologischen Sinn: Eine schwere Sepsis kann zur Sepsis-induzierten Enzephalopathie führen, wo die Patienten ebenfalls hypoventilieren oder die Atemkontrolle verlieren. Eine Meningitis oder ein erhöhter Hirndruck (z.B. durch Enzephalitis) kann Erbrechen und Aspiration auslösen sowie die Atemregulation stören.
Zusammenfassend sind metabolisch/neurologische Ursachen vielfältig: sie alle können letztlich auf die Ventilationsendstrecke wirken, indem sie Bewusstsein und damit Schutzreflexe/Atemantrieb beeinflussen oder pathologische Atemmuster hervorrufen. Der Rettungsdienst behandelt hier primär symptomatisch die Atmung (Freimachen, O₂, Beatmung) und versucht gleichzeitig, die Ursache zu adressieren – sei es durch Glukose bei Hypoglykämie, Antikonvulsiva bei Status epilepticus oder einfach schnelles Transport in eine Klinik, wo die Ursachenversorgung (Thrombolyse beim Schlaganfall, Insulin bei Ketoazidose, Antibiotika bei Sepsis) erfolgt.
Infektiöse Ursachen: Pneumonie und Pseudokrupp
Pneumonie (Lungenentzündung): Eine ausgedehnte akute Pneumonie kann ebenfalls zu einer Ventilationsstörung führen. Hier steht die Diffusionsstörung und ggf. Perfusionsumverteilung im Vordergrund: Entzündliches Exsudat füllt die Alveolen eines Lungenareals, wodurch dort kein Gasaustausch stattfindet. Das führt zu Hypoxämie. Klinisch zeigt die Pneumonie hohes Fieber, Husten (anfangs trocken, dann eitriger Auswurf) und oft einseitige Atemgeräusche (feuchte Rasselgeräusche, abgeschwächtes Vesikuläratmen über dem Infiltrat). Bei ausgeprägter Pneumonie kann Dyspnoe bis hin zu respiratorischer Insuffizienz auftreten, besonders bei älteren Patienten oder vorbestehenden Lungenerkrankungen. Im Rettungsdienst sind diese Patienten oftmals septisch aussehend, tachypnoisch, mit hohem Puls und ggf. Zyanose. Sauerstoff ist indiziert (Ziel SpO₂ > 94%). Wichtig ist die Unterscheidung zu einer kardialen Dyspnoe – anamnestisch fragt man nach Husten, Fieber, Brustschmerz. Die Therapie umfasst O₂-Gabe, Fiebersenkung falls nötig, und zügiger Transport in die Klinik für Antibiotikatherapie. Eine Pneumonie alleine erfordert selten Intubation präklinisch, außer es handelt sich um eine ARDS-Situation mit schwerster Oxygenierungsstörung. Der Rettungsdienst kann bei sehr schlechter Oxygenierung auch hier CPAP einsetzen, um die Oxygenation zu verbessern, bis definitive Maßnahmen erfolgen.
Pseudokrupp (akute subglottische Laryngitis): Dies ist eine virale Entzündung im Kehlkopf-Unterbereich, die vor allem Kleinkinder (meist 6 Monate bis 3 Jahre) betrifft. Durch die anatomisch enge Struktur subglottisch führt schon eine geringe Schleimhautschwellung zu erheblicher Atemwegsverengung. Typisch tritt Pseudokrupp nachts auf: Das Kind wacht mit heiserem, „bellendem“ Husten und inspiratorischem Stridor auf, hat Atemnot, zieht die Brust ein. Oft besteht nur leichtes Fieber. Die Kinder haben große Angst (und die Eltern ebenso). Pathophysiologisch handelt es sich um eine obere Atemwegsobstruktion durch entzündliches Ödem im Kehlkopf-/Tracheabereich. Ventilatorisch ist besonders die Inspiration erschwert (Stridor beim Einatmen).
Der Rettungsdienst findet meist ein weinendes, an Mama klammerndes Kleinkind mit lautem „Seehund-Husten“, heiserem Schreien und inspiratorischem Pfeifen vor. Maßnahmen hier: Das Kind beruhigen, idealerweise auf dem Arm der Eltern belassen (Stress vermeiden!). Kalte frische Luft kann helfen – im Winter geht man oft mit dem Kind ans Fenster oder vor die Tür, was das Abschwellen fördert. Medikamente der Wahl sind feucht-inhalatives Adrenalin (2–5 ml Adrenalin 1:1000 mit NaCl vernebelt) sowie Glukokortikoide (z.B. 100 mg Rectodelt Zäpfchen oder 5–10 mg Dexamethason oral/intramuskulär). Adrenalin-Inhalation wirkt rasch abschwellend über Vasokonstriktion und kann den Stridor deutlich bessern. Das Kortison wirkt nach 30 Minuten, verhindert aber Progression und Rezidiv. Sauerstoff kann bei Kind sehr distresst mit Maske angeboten werden, aber oft tolerieren Kinder keine Maske – dann lieber in der Nähe halten. Wichtig: Da das Problem vor allem die Einatmung betrifft, nützt CPAP hier nicht (im Gegenteil, es könnte Stridor verstärken durch Unruhe). In sehr seltenen Fällen, wo ein Pseudokrupp zum Glottisverschluss führt (extreme Atemnot, Zyanose, drohende Erstickung), müsste ein Notarzt eine Intubation oder notfallmäßige Koniotomie durchführen. Allerdings ist das bei viralem Krupp äußerst selten; viel häufiger beruhigt sich das Bild nach Inhalation und Kortison deutlich, so dass das Kind stabil in der Klinik ankommt.
Epiglottitis (Kehldeckelentzündung), die v.a. bakterielle Infektion bei Kindern (früher Haemophilus influenzae) ist, führt zu ähnlichen Symptomen, allerdings schwerer: Speichelfluss, hohes Fieber, Kind sitzt nach vorn gebeugt und droht zu ersticken. Diese ist heute dank Impfung selten, muss aber in Betracht gezogen werden bei passendem Bild. Hier gilt: Kind nicht aufregen (kein Rachen inspizieren!), sofort Notarzt, bereit sein zur Atemwegssicherung.
COVID-19 sollte noch erwähnt werden: In der Hochzeit der Pandemie sah man viele Patienten mit akuter Hypoxämie durch COVID-Pneumonie, teils ohne massive Dyspnoe („happy hypoxemia“). COVID kann ARDS auslösen, was respiratorische Insuffizienz verursacht. Im Rettungsdienst wurden früh CPAP und O₂ eingesetzt, um eine Intubation zu vermeiden. Mittlerweile ist dies Routine bei allen ARDS-ähnlichen Verläufen – nicht-invasive Ventilation, Lagerungsmaßnahmen (bauchwärts lagern), etc., wenn Zeit bleibt.
Damit sind die wichtigsten nicht-traumatischen Ursachen besprochen. Jede von ihnen erfordert eine spezifische Herangehensweise, doch gemeinsam ist das übergeordnete Ziel: Ventilation und Oxygenierung sicherstellen, um Hypoxieschäden zu verhindern.
5. Traumatische Ursachen von Ventilationsstörungen
Traumatische Einwirkungen können die Atemmechanik oder die Atemwege so beeinträchtigen, dass akute Ventilationsstörungen entstehen. Im Rettungsdienst sind folgende traumatischen Ursachen besonders relevant:
Pneumothorax und Spannungspneumothorax
Ein Pneumothorax liegt vor, wenn Luft in den sonst luftleeren Pleuraspalt eindringt und dadurch der betroffene Lungenflügel kollabiert. Ursache kann ein stumpfes oder penetrierendes Thoraxtrauma sein (Rippenbruch, Messerstich), aber auch iatrogene Verletzungen oder spontan platzende Emphysemblasen (bei COPD) kommen vor. Beim Trauma ist der Pneumothorax häufig: Rippenfrakturen können die Pleura einreißen. Symptomatisch führt ein größerer Pneumothorax zu plötzlicher einseitiger Atemnot, Schmerzen auf der betroffenen Seite und einem abgeschwächten Atemgeräusch dort. Der Patient ist tachypnoisch, klagt über Atemnot, evtl. Zyanose bei großem Pneumothorax. Die Haut kann ein knisterndes Hautemphysem zeigen (Luft im subkutanen Gewebe) im Hals-/Brustbereich, falls Luft aus der Lunge ins Gewebe tritt.
Gefürchtet ist der Spannungspneumothorax (Tension Pneumothorax): Dabei wirkt ein Ventilmechanismus – Luft tritt bei Inspiration in den Pleuraspalt ein, kann aber nicht entweichen. So steigt mit jedem Atemzug der Druck im Thorax auf der betroffenen Seite. Dies führt nicht nur zum völligen Kollaps der ipsilateralen Lunge, sondern drückt auch das Mediastinum und das Herz zur Gegenseite, was die andere Lunge komprimiert und den venösen Rückstrom zum Herzen behindert . Die Herz-Kreislauf-Funktion bricht dramatisch ein; unbehandelt endet ein Spannungspneu in Minuten tödlich durch einen obstruktiven Schock (verminderter Herzfüllung) und Hypoxie.
Klinische Zeichen: Beim (Spannungs-)Pneumothorax infolge Trauma ist die Atemnot oft schwer, und es besteht eine sichtbare Asymmetrie: der betroffene Brustkorb bewegt sich weniger. Das Atemgeräusch fehlt einseitig. Beim Spannungspneu kommen Zeichen der Schocks hinzu: Tachykardie, Hypotonie, gestaute Halsvenen (durch den intrathorakalen Druck) – letzteres kann allerdings bei gleichzeitigem Blutverlust fehlen. Der Patient ist äußerst unruhig, eventuell bewusstseinsgetrübt durch Hypoxie. In ca. 25% der Fälle kann ein kardiopulmonaler Stillstand durch Spannungspneu der Grund für eine PEA (pulslose elektrische Aktivität) sein. Deshalb muss bei Trauma mit Kreislaufstillstand immer an die Möglichkeit eines Spannungspneus gedacht und im Zweifel behandelt werden.
Maßnahmen: Beim offenen Pneumothorax (durch Wunde) zunächst die Wunde abdichten (Dreiseitenpflaster), um einen Ventilmechanismus zu verhindern. Die definitive Therapie eines Pneumothorax ist die Entlastung via Thoraxdrainage (Bülau-Position) in Klinik. Präklinisch muss insbesondere der Spannungspneu sofort entlastet werden. Dies geschieht klassisch durch die Entlastungspunktion: Dabei wird eine dicke Kanüle in den Pleuraspalt eingeführt, um die Luft entweichen zu lassen. Neuere Erkenntnisse favorisieren die Punktion im 5. Interkostalraum, vordere Axillarlinie (Bülau-Position), da dort die Erfolgsquote höher ist als in der früher gelehrten Monaldi-Position (2. ICR Medioklavikularlinie). Studien zeigten, dass in der Monaldi-Höhe bei bis zu einem Drittel der Fälle die Nadel zu kurz war, um die Pleura zu erreichen (besonders bei adipösen oder weiblichen Patienten). In der Axillarlinie 4./5. ICR hingegen erreicht eine lange Nadel fast immer die Pleurahöhle. Daher lauten aktuelle Empfehlungen (z.B. ATLS 2018): Nadeldekompression primär 5. ICR vordere Axillarlinie, mit ausreichend langer Kanüle (mind. 8 cm, besser 10 cm). Nach erfolgreicher Punktion entweicht hörbar Zischend Luft und der Patient erlebt meist eine unmittelbare Besserung (sofern der Kreislauf noch intakt ist). Wichtig: Eine solche Notfallmaßnahme ist temporär; immer muss schnellstmöglich eine definitive Thoraxdrainage gelegt werden, weil die Nadel sich verlegen kann. Im RD bedeutet das: nach Nadeldekompression schnellstmöglich Transport, bzw. bei Notarzt ggf. vor Ort Fingerthorakostomie/Monaldi-Drainage wenn ausgebildet.
Beim einfachen Pneumothorax ohne Spannung kann man – falls kein Notarzt und keine Punktion – den Patienten mit O₂ hochdosiert versorgen (100% O₂ beschleunigt die Resorption eines kleinen Pneus) und monitoring betreiben. Aber bei Trauma gilt: lieber früh entlasten als abwarten, da ein anfangs kleiner Pneu sich rasch zum Spannungspneu entwickeln kann (durch Beatmung, Husten etc.). Daher niedrige Schwelle zur Nadel-Entlastung bei jedem traumatischen Pneu mit Kreislaufrelevanz. Sauerstoff 15 l/min über Maske gehört immer dazu, da er sowohl Hypoxie bekämpft als auch die Resorption fördert. Bei Resp.Versagen: Intubation und vorsichtig beatmen (niedrige Drücke, um nicht den Pneu zu vergrößern). Allerdings sollte Beatmung erst nach Entlastung eines Spannungspneus erfolgen, sonst kann die positive Pressure Ventilation die Lage verschlimmern.
Die Überwachung ist engmaschig: Nach Punktion die Atemmechanik, Auskultation und Kreislaufzeichen prüfen – falls erneute Verschlechterung, evtl. Nadel verstopft (z.B. Blut) oder hat sich entfernt: dann erneut punktieren (ggf. andere Stelle). Bei Trauma-CPR (Reanimation infolge Trauma) wird inzwischen empfohlen, prophylaktisch beidseits Thorax zu entlasten, da die Diagnose Spannungspneu in CPR schwer zu stellen ist und man kein Risiko eingehen will. Ein beidseitiger Spannungspneu ist selten, aber möglich (z.B. beidseitiges stumpfes Trauma mit Rippenserienfrakturen). Daher im Zweifelsfall: beide Seiten punktieren.
Zusammengefasst ist der Spannungspneu einer der wenigen echten „load-and-go“-Indikationen plus unmittelbarer Entlastungsmaßnahme. Für die Crew heißt das: vor Ort nur absolut notwendige Maßnahmen, dann schnell in Richtung Klinik (Schockraum). Häufig ist aber die Situation so kritisch, dass vor Abfahrt entlastet werden muss, weil sonst der Patient den Transport nicht überleben würde. Der Fokus liegt auf schneller Entscheidungsfindung – klinischer Verdacht reicht, man wartet nicht auf Röntgen, sondern behandelt nach Leitsymptomatik.
Hämatothorax (Blut im Pleuraspalt)
Ähnlich dem Pneumothorax kann auch Blut in den Pleuraspalt gelangen – ein Hämatothorax. Typischerweise durch stumpfe oder penetrierende Thoraxtraumen, z.B. Verletzung interkostaler Gefäße oder Lungenrisse. Ein Hämatothorax kann die Lunge mechanisch komprimieren und führt zusätzlich zu Blutverlust (hämorrhagischer Schock). Kleine Hämatothoraces (wenige 100 ml) sind klinisch schwer zu erkennen prähospital. Größere (Liter-Bereich) machen Anzeichen wie Atemnot, abgeschwächtes Atemgeräusch und Klopfschalldämpfung auf der betroffenen Seite (dämpfer als normal). Äußerlich evtl. Unfallzeichen. Oft ist ein Hämatothorax mit gleichzeitigem Pneumothorax kombiniert (Hämatopneumothorax).
Therapie: analog Pneumothorax – Thoraxdrainage. Eine akute Notfallpunktion bringt bei flüssigem Blut weniger, da eine dünne Nadel sich zusetzt und Blut nicht so zischend entweicht. Bei Kreislaufinstabilität sollte in Erwägung gezogen werden (bei Notarzt) eine Fast-Dekompression via großkalibrigem Zugang (z.B. Thoraxmayer-Klemme, Fingerthorakostomie) zu schaffen. Aber prähospital meist begrenzt – hier zählt schneller Transport in ein Traumazentrum, wo chirurgisch eingegriffen werden kann. Große Hämatothoraces (> 1500 ml) können eine akute Lebensgefahr darstellen durch Verdrängung und Verbluten in den Thorax.
Rippenserienfraktur und instabiler Thorax
Eine Rippenserienfraktur bedeutet, dass mindestens 3 benachbarte Rippen an mindestens zwei Stellen gebrochen sind . Dadurch verliert der betroffene Brustkorbabschnitt die stabile Verbindung – es entsteht ein sogenannter instabiler Thorax (auch „flail chest“). Die Folge ist eine paradoxe Atmung: Beim Einatmen zieht sich der instabile Teil des Thorax nach innen, während der Rest sich ausdehnt; beim Ausatmen wölbt er sich vor. Diese paradoxe Bewegung führt zu einer äußerst ineffizienten Ventilation, da ein Teil des Atemzugsvolumens verpufft (Pendelluft). Zudem verursacht es starke Schmerzen, was die Atemtiefe weiter reduziert – Patienten atmen sehr flach (Schonatmung), was Atelektasen begünstigt.
Symptome: Sichtbar ist oft die instabile Thoraxwand – z.B. eine Seitwärtsbewegung eines Brustkorbbezirks entgegengesetzt zum Atemrhythmus. Die Patienten haben meist Prellmarken oder Wunden am Thorax, intensive Schmerzen und eine flache, schnelle Atmung. Häufig ist der Betroffene hypoxisch (Zyanose), da die Ventilation behindert ist. Bei Tastuntersuchung fühlt man krepitierende Knochenbewegungen an der Frakturstelle. Ein instabiler Thorax geht oft einher mit einer Lungenkontusion (Prellung des Lungengewebes), was zusätzlich den Gasaustausch reduziert.
Maßnahmen: Schmerzen bekämpfen! Eine suffiziente Analgesie (mit Opiaten titriert) ist entscheidend, damit der Patient überhaupt effektiver atmen kann. Weiterhin wird empfohlen, den Patienten mit der verletzten Seite nach unten zu lagern (wenn keine Wirbelsäulenverletzung entgegensteht), um der instabilen Seite eine gewisse äußere Stabilisierung zu geben und gleichzeitig die gesunde Lunge optimal ventilieren zu lassen. Früher wurde auch ein „Sandsteinchen-Verband“ (Gewicht auf Brust) beschrieben, heute eher obsolet, aber eine vorsichtige manuelle Stabilisierung kann helfen. Sauerstoffgabe ist selbstverständlich (15 l Maske bei Bedarf), um Hypoxie zu verhindern.
Bei schweren Fällen und drohendem Versagen hilft auch hier frühzeitig CPAP oder druckunterstützte Beatmung – diese „von innen schienende“ Stabilisierung des Thorax durch positiven Druck kann die paradoxe Atmung vermindern und die Oxygenierung verbessern. Allerdings tolerieren traumatisierte, schmerzgeplagte Patienten CPAP nicht immer gut ohne Sedierung. In der Klinik ist oft eine Intubation und invasive Beatmung notwendig, gerade wenn auch Lungenkontusionen vorliegen. Das Ziel im RD ist, den Transport zu überbrücken mit adäquater Oxygenierung und Analgesie. Ein instabiler Thorax ist ein eindeutiges Schockraum-Kriterium: Die Sterblichkeit ist hoch, oft liegen Begleitverletzungen vor.
Zusammengefasst: Instabiler Thorax => O₂, Analgesie, Lagerung auf Verletzungsseite, evtl. leicht stabilisierender Verband, und notärztliche Versorgung. Bei respiratorischer Insuffizienz -> Intubation und PEEP-Beatmung.
Lungenkontusion (Lungenquetschung)
Eine Lungenkontusion entsteht durch stumpfe Gewalt (z.B. Aufprall bei Verkehrsunfall) auf den Thorax, wodurch das Lungengewebe gequetscht wird. Kapillaren zerreißen, es kommt zu Einblutungen und Ödembildung im Lungengewebe, ohne dass die Pleura verletzt sein muss. Die Lungenkontusion ist tückisch, weil sie zunächst äußerlich unsichtbar ist, aber innerhalb von Minuten bis Stunden zu massiven Gasaustauschstörungen führen kann – im Prinzip eine „innere Pneumonie“. Patienten mit schweren Thoraxtraumen (z.B. an Lenkrad geprallt) entwickeln oft im Verlauf zunehmende Ateminsuffizienz wegen Lungenkontusion, auch wenn anfangs keine Rippen gebrochen sind.
Symptome: Anfangs evtl. nur Dyspnoe und Thoraxschmerzen. Möglicherweise Husten mit blutigem Sputum (Hämoptyse). Im Verlauf crepitantes Rasseln über dem verletzten Lungenareal, Zeichen einer Hypoxie (Zyanose, Unruhe). Oft kombiniert mit anderen Verletzungen (Rippenbrüche, Hämatothorax). Eine ausgeprägte Kontusion kann ein ARDS-ähnliches Bild entwickeln.
Maßnahmen: Hier gilt es, die Oxygenierung sicherzustellen – hochdosiert O₂. Schmerztherapie, falls ansprechbar. Der Patient gehört zügig in die Klinik. Prähospital lässt sich an der Kontusion selbst wenig behandeln außer supportive care. CPAP kann theoretisch das noch belüftbare Gewebe offen halten, aber bei Traumapatienten und instabilen Vitalparametern ist Vorsicht geboten. Oft entscheidet man sich zur Intubation und kontrollierten Beatmung, wenn die Oxygenierung nicht aufrechtzuerhalten ist. Im Schockraum wird ein CT die Kontusion zeigen.
Tracheobronchialverletzungen
Verletzungen der großen Atemwege (Trachea, Hauptbronchien) sind selten, aber hochdramatisch, meist durch Hochrasanztrauma (z.B. Motorradunfall mit direktem Kehlkopfschlag) oder Penetration. Eine tracheale Quetschung oder Luftröhrenriss führt zu akutem Atemwegsversagen – die Luft entweicht ins Mediastinum und subkutanes Gewebe (ausgeprägtes Hautemphysem am Hals, Gesicht schwillt auf), der Patient kann kaum noch Luft bewegen. Oft resultiert ein Spannungs-Mediastinalemphysem, ähnlich gefährlich wie ein Spannungspneu.
Symptome: Ggf. sichtbare äußere Verletzungen am Hals. Luft dringt in Haut -> Knistern am Hals und Thorax bei Palpation. Heiserkeit oder Verlust der Stimme. Schwere Dyspnoe, Zyanose. Bei Bronchusabriss ventilieren nur noch eine Lunge – asymmetrische Atembewegungen und Atemgeräusche. Rascher Kreislaufabfall durch Hypoxie.
Maßnahmen: Extrem anspruchsvoll. Wenn Trachea teilweise offen: Patient in sitzende Position, beruhigen, O₂ geben. Definitiv muss ein Atemwegsmanagement erfolgen – i.d.R. Intubation durch Notarzt, evtl. in den weniger verletzten Hauptbronchus gezielt (einseitige Intubation, wenn ein Hauptbronchus ab). Bei totaler Trennung der Trachea von Kehlkopfregion ist eine Koniotomie möglicherweise letzte Rettung (Zugang von außen). Auch eine ECMO-Bereitstellung in der Klinik kann nötig werden, aber prähospital nicht verfügbar. Wichtig ist, den Verdacht zu äußern, damit im Traumazentrum HNO/Thoraxchirurgie alarmiert wird. Es bleibt in der Praxis sehr schwierig – viele solche Verletzungen überleben die Präklinik nicht, außer die Läsion ist kleiner (Teilriss, der Patient kann noch minimal atmen).
Aspiration von Blut oder Erbrochenem (im Rahmen von Trauma)
Bei bewusstlosen Traumaopfern – etwa einem Schädel-Hirn-Trauma nach Sturz oder Verkehrsunfall – besteht große Gefahr, dass Blut (z.B. aus Gesichtsverletzungen) oder Mageninhalt aspiriert wird. Ein bewusstloser Patient hat keinen Husten- oder Schluckreflex; liegt er in Rückenlage, läuft Erbrochenes leicht in die Trachea. Ebenso können bei schweren Gesichtsverletzungen (z.B. blutende Nasenbein-/Kieferfrakturen) große Mengen Blut in den Rachen fließen und weiter in die Atemwege. Dies verursacht einerseits eine mechanische Atemwegsverlegung (Fremdmaterial in Trachea/Bronchien), andererseits führt das Einatmen von Mageninhalt zu einer chemischen Pneumonitis (Magensäure schädigt das Lungengewebe).
Symptome: Der bewusstlose Traumapatient zeigt ggf. sprudelndes Blut im Mund, gurgelnde Atemgeräusche. Er bekommt keine effektive Luft, Hautfarbe wird blass-bläulich, möglicherweise setzt die Atmung aus (wenn Atemwege komplett blockiert). Auch bei nicht bewusstlosen, aber bewusstseinseingetrübten Patienten kann Erbrochenes aspirieren – oft bemerkt man es am plötzlichen Husten, Brodeln, dann Zyanose und nachlassendem Bewusstsein.
Maßnahmen: Hier muss unverzüglich der Atemweg freigemacht werden. Bei Trauma immer HWS-Schutzbeachten, aber im Zweifel hat Atemwegsvorrang. So vorgehen: Patienten auf die Seite drehen (wenn kein Verdacht auf Wirbelsäule oder mit Helfer achsengerecht), Mundraum öffnen und Absaugen was geht. Größere Stücke (Zähne, Gerinnsel) mit Magill-Zange rausfischen. Wenn sichtbar Erbrochenes: großkalibrigen Yankauer-Sauger tief in den Rachen einführen und absaugen. Das muss evtl. wiederholt werden, da immer wieder Material nachläuft. Gleichzeitig O₂-Gabe versuchen (z.B. in Absaugpausen). Meist ist die definitive Lösung die Intubation: Der Tubus schützt die Lunge vor weiterem Nachfluss und man kann durch den Tubus besser absaugen (Bronchialtoilette). Die Intubation in diesem Szenario ist anspruchsvoll, da Sicht schlecht, Blut schwallt evtl. nach. Man muss es ggf. im Rapid Sequence Intubation Verfahren tun (Notarzt), mit anhaltendem Absaugen nebenbei. Wenn Intubation nicht sofort gelingt, kann ein supraglottisches Hilfsmittel (Larynx-Tubus) übergangsweise helfen – es blockt den Ösophagus ab und ermöglicht Beatmung, allerdings dichtet es nicht so gut wie ein Tubus und Aspirat kann immer noch in Trachea gelangen. Aber temporär besser als gar nichts.
Nach erfolgreicher Sicherung: Beatmung mit 100% O₂. Invasive Maßnahmen: falls vorhanden, eine Bronchoskopie in Klinik zur gründlichen Reinigung. Antibiotika-Prophylaxe je nach Substanz (Mageninhalt – sehr infektiös). Wichtig: Ein aspirierter Patient gehört auf eine Intensivstation, da die Aspirationspneumoniefast regelhaft auftritt binnen 24–72 Stunden.
Für den Rettungsdienst bleibt als Resümee: „Airway first“ – gerade beim bewusstlosen Traumapatienten immer davon ausgehen, dass Aspiration droht oder schon passiert ist. Daher früh Absaugen, Lagerung in Seitenlage (sofern Trauma-Mechanik erlaubt) und ggf. prophylaktisch Intubation auch wenn noch eigenatmend, falls die Schutzreflexe unzureichend sind. Es ist besser, einen Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma früh zu intubieren als zu warten bis er erbricht und dann in Panik intubieren zu müssen.
Insgesamt erfordern traumatische Ventilationsstörungen oft ein aggressiveres Vorgehen (Thoraxentlastung, Intubation) als viele internistische, da die Zeit knapp und die mechanischen Probleme ohne solche Eingriffe nicht lösbar sind. Wichtig ist die parallele Behandlung weiterer Traumaursachen (z.B. Beckenzwinge bei Beckenfraktur, Volumentherapie bei Blutungen) – aber Airway und Breathing haben Priorität nach dem ABCDE-Schema, selbstredend.
6. Biochemische und physikalische Grundlagen der Atmung
In diesem Abschnitt werden die für das Verständnis der Ventilationsstörungen wichtigen Grundlagen beleuchtet: der Transport von Sauerstoff (O₂) und Kohlendioxid (CO₂), die Auswirkungen auf den Säure-Basen-Haushalt (pH-Wert) sowie die Kenngrößen SpO₂, EtCO₂ und Blutgaswerte.
Sauerstofftransport und CO₂-Elimination
Sauerstofftransport: Der eingeatmete Sauerstoff diffundiert in den Alveolen ins Kapillarblut und wird dort zu ~98% an Hämoglobin gebunden. Jedes Hämoglobin-Molekül kann bis zu 4 O₂-Moleküle aufnehmen. Die Sauerstoffbindung hängt vom Partialdruck des O₂ ab – diese Beziehung wird in der Sauerstoffbindungskurve dargestellt. Bei normaler Lungenfunktion erreicht das arterielle Blut in den Lungenkapillaren eine Sauerstoffsättigung (SaO₂) von ~97–99%, was einem PaO₂ von ca. 90–100 mmHg entspricht. Im Gewebe wird O₂ abgegeben, wo der Partialdruck niedriger (~40 mmHg in Ruhe) ist. Eine ausreichende Sauerstoffversorgung setzt neben intakter Lunge auch einen ausreichenden Herzzeitvolumenvoraus, um den Sauerstoff zu den Zellen zu transportieren.
Das Verhältnis zwischen gelöstem O₂ und gebundenem O₂ ist so, dass bei normalem Hb-Gehalt (15 g/dl) und voller Sättigung etwa 20 ml O₂ pro 100 ml Blut transportiert werden können. Bei Anämie ist diese Kapazität reduziert, was im Notfall z.B. bedeutet: Ein anämischer Patient kann trotz normaler Sättigung in absoluten Zahlen zu wenig O₂ tragen. Für Ventilationsstörungen ist dies allerdings selten der limitierende Faktor; meist ist es die Oxygenierung an sich.
CO₂-Elimination: Kohlendioxid entsteht als Stoffwechselendprodukt in den Zellen und diffundiert ins Blut. Etwa 10% werden physikalisch gelöst transportiert, ~20% an Hämoglobin gebunden (als Carbamat), der größte Anteil aber (ca. 70%) wird in Bikarbonat (HCO₃⁻) umgewandelt. Im Blut reagiert CO₂ mit Wasser zu Kohlensäure (H₂CO₃), die zu HCO₃⁻ und H⁺ dissoziiert. Dieses Puffersystem ist zentral für den Säure-Basen-Haushalt. In den Lungenkapillaren wird der Prozess umgekehrt: Bikarbonat gibt CO₂ ab, das dann abgeatmet wird. Dadurch reguliert die Lunge den pH-Wert maßgeblich: Erhöhte Ventilation „bläst“ CO₂ ab und verschiebt den pH nach alkalisch (weniger Kohlensäure), verminderte Ventilation lässt CO₂ anstauen und macht das Blut saurer (pH sinkt).
Normwerte: Der arterielle CO₂-Partialdruck (PaCO₂) liegt bei ca. 40 mmHg (5,3 kPa) . Dieser korreliert eng mit der alveolären Ventilation: Verdoppelt sich das alveoläre Minutenvolumen, halbiert sich grob der PaCO₂ und vice versa . Der Normbereich des endtidalen CO₂ (EtCO₂) – also des ausgeatmeten CO₂ am Ende der Exspiration – liegt bei etwa 33–43 mmHg, was ~4,3–5,7% Vol.-Konzentration entspricht. EtCO₂ ist in der Regel etwas niedriger als PaCO₂ (um ~2–5 mmHg), kann aber bei schlechter Perfusion stärker abweichen.
pH-Verschiebungen: respiratorische Azidose und Alkalose
Wie oben angedeutet, beeinflusst CO₂ den Blut-pH. Kohlendioxid ist sauer, genauer gesagt entsteht pro CO₂ ein Proton bei der Bikarbonatpufferreaktion. Steigt der CO₂-Gehalt (Hyperkapnie), kommt es zur respiratorischen Azidose – der pH-Wert sinkt. Sinkt der CO₂-Gehalt (Hypokapnie), resultiert eine respiratorische Alkalose (pH steigt).
Wichtig für den Rettungsdienst ist zu erkennen: Eine schwere ventilatorische Störung spiegelt sich im pH wider. Blutgasanalyse (BGA) präklinisch haben die wenigsten Teams, aber man kann es qualitativ erahnen: ein Patient mit längerer Hypoventilation (erhöhter CO₂) wird eher somnolent und rotgesichtig (CO₂-Vasodilatation); jemand der hyperventiliert (niedriger CO₂) klagt über Kribbeln und hat eher blasse, kühle Peripherie (Vasokonstriktion durch Alkalose). Bei Reanimation misst man endtidale CO₂-Werte mit, da diese Indikatoren für Qualität und evt. ROSC sind .
In Summe: Ventilationsstörungen können eine Azidose oder Alkalose verursachen, was zusätzliche Organschäden triggern kann. Besonders kritisch ist die Azidose, da viele Medikamente und die Herzfunktion bei pH < 7.2 deutlich schlechter wirken bzw. nachlassen. So ist etwa bei schwerer Azidose die Katecholaminwirkung reduziert und Arrhythmiegefahr erhöht. Deshalb muss bei hyperkapnischen Patienten sowohl die Oxygenierung als auch die CO₂-Elimination verbessert werden (z.B. durch Erhöhung des Minutenvolumens bei Beatmung) . Bei hypokapnischen Zuständen im Notfall (z.B. beginnende Sepsis mit Hyperventilation) sollte man nicht blind gegensteuern, da die Hyperventilation oft kompensatorisch ist.
Bedeutung von SpO₂, EtCO₂ und Blutgasen
SpO₂ (pulsoxymetrische Sauerstoffsättigung): Die Sauerstoffsättigung des Hämoglobins im arteriellen Blut wird im Rettungsdienst routinemäßig per Pulsoxymeter gemessen. Diese nichtinvasive Messung beruht auf zwei Lichtwellen, die durch die fingerbeere geschickt werden – aus der Absorptionsdifferenz wird die Sättigung geschätzt. Eine normale SpO₂ liegt bei gesunden Erwachsenen um 97–99%. Werte über 94% gelten allgemein als ausreichend; unter ~90% besteht Hypoxämie. Bei COPD-Patienten sind chronisch niedrigere Werte üblich (oft 88–92%), diese tolerieren das besser. Tatsächlich haben viele COPD-Patienten im Schnitt SpO₂ zwischen 85 und 95%. Daher gilt: Bei bekannten CO₂-Retainern (COPD) sind auch Werte um 90% akzeptabel, man soll nicht stur auf 98% hochsauerstoffieren (sonst Gefahr der CO₂-Narkose). Moderne Leitlinien empfehlen für solche Patienten einen Zielbereich von 88–92%. Für die meisten anderen akuten Notfälle strebt man ~94–96% an; bei Schock oder Trauma eher 98–100% (da hier jede Hypoxie kritisch ist).
Es gibt Fehlerquellen bei der Pulsoxymetrie: z.B. kann ein Pulsoxy nicht zwischen O₂ und CO unterscheiden – bei Kohlenmonoxidvergiftung zeigt es fälschlich hohe Sättigung an, obwohl das Blut funktionslos ist. Ebenso stören schlechte periphere Durchblutung (Schock, Kälte) die Messung. Ein flacher Kurvenverlauf im Pulsoxy-Monitor weist auf mögliche Messungenauigkeit hin. Auch Nagellack (bes. dunkelblau/rot) kann das Signal dämpfen.
In sum: Die SpO₂ ist ein Frühwarnparameter – sinkt sie ab, droht Hypoxieschaden. Bei Ventilationsproblemen ist es essenziell, sie kontinuierlich zu überwachen. Allerdings reagiert die Sättigung etwas verzögert und bleibt z.B. bei initialer Hyperventilation normal trotz möglicher CO₂-Verschiebung. Deshalb ergänzt man mit EtCO₂-Messung.
EtCO₂ (End-tidal CO₂, Kapnographie): Dies misst den CO₂-Gehalt in der Ausatemluft, insbesondere am Ende der Ausatmung (der Wert, der alveoläres CO₂ widerspiegelt). EtCO₂ ist ein Maß für die Ventilation: Hohe Werte bedeuten Hypoventilation (CO₂ staut sich), niedrige Werte bedeuten Hyperventilation oder aber auch Kreislaufprobleme (weniger CO₂ transportiert). Im Rettungsdienst wird Kapnographie vor allem bei Intubiertenverwendet – Standard zur Tubuslage-Kontrolle und Reanimationsüberwachung. Die Deutsche Anästhesiegesellschaft (DGAI) fordert in ihren Leitlinien Kapnographie zur Bestätigung der korrekten Intubation. Der European Resuscitation Council (ERC) empfiehlt Kapnographie während CPR, um die Qualität der Herzdruckmassage zu beurteilen und einen ROSC (Wiederkehr Spontankreislauf) früh zu erkennen. Konkret: Steigt der EtCO₂ plötzlich deutlich an, ist das ein Hinweis, dass das Herz wieder pumpt und CO₂ aus dem Gewebe transportiert . Umgekehrt kann ein Abfall auf nahezu Null auf Tubusprobleme oder Disconnect hindeuten .
Kapnographie kann aber auch bei spontan atmenden Patienten via Nasenbrille gemessen werden (Sidestream-Verfahren). Dies wird bislang im RD noch selten gemacht, könnte aber z.B. bei sedierten Patienten oder Asthmatikern hilfreich sein (sofern Gerät vorhanden).
Interpretation: Ein EtCO₂ im Normbereich (~35–45 mmHg) bei einem intubierten Patienten ist gut. Werte >45 mmHg zeigen Hypoventilation: man sollte ggf. Frequenz oder Volumen erhöhen . Werte <30 mmHg deuten auf Hyperventilation (oder niedriges HZV). Bei Reanimation strebt man ~20 mmHg oder mehr an – niedriger als normal, aber deutlich über 0. Ein plötzlicher Abfall auf Null bedeutet entweder: Tubus raus/geblockt oder kein Kreislauf (ROSC verloren). Ein schleichender Abfall kann auf Leckagen oder Teilverlegungen hinweisen , oder auf eine Lungenarterienembolie (plötzlich sinkendes EtCO₂ trotz weiter Beatmung, da Perfusion wegfällt) . Konstante zu hohe Werte können auf Atemdepression oder zu geringe Minutenventilation hindeuten . Konstante zu niedrige auf Hyperventilation oder Unterkühlung .
Für den RD wichtig: Kapnographie ist das schnellste Monitoring, um Ventilationsprobleme zu erkennen. Z.B. ein Asthmatiker mit zunehmender Hyperkapnie – sein EtCO₂ wird steigen, noch bevor die Sättigung fällt. Insbesondere bei Sedierung/Intubation präklinisch: EtCO₂-Pflicht! Es verhindert z.B. unentdeckte Ösophagusintubationen und warnt vor Verlegungen.
Blutgas-Analyse (BGA): Präklinisch selten verfügbar (manche NAW haben tragbare BGA-Geräte). Eine BGA misst pH, PaO₂, PaCO₂, HCO₃⁻, Laktat etc. In der Notaufnahme wird sie bei respiratorischen Notfällen nahezu immer gemacht. Für uns: Eine BGA kann Hypoventilation vs. Oxygenationsproblem quantifizieren. Z.B. ob eine niedrige Sättigung eher an hohem CO₂ (Ventilationsversagen) oder mangelndem O₂ trotz Hyperventilation (oxygenatorisches Versagen) liegt. Der SaO₂-Wert in der BGA ist genau und nicht durch CO-Vergiftung verfälscht (im Gegensatz zum Pulsoxy). Allerdings muss man ABGA vs. Kapillar vs. Venös unterscheiden – prähospital meist nur arteriell sinnvoll.
In Hessen präklinisch haben Notärzte i.d.R. keine BGA dabei. Daher verlässt man sich auf klinische Zeichen und die genannten nicht-invasiven Parameter.
Zusammenfassung der Kenngrößen:
Zum Sauerstoff selbst: Sauerstoff ist ein Medikament – 2021 erschien eine deutsche S3-Leitlinie zur O₂-Therapie, die betont, Hypoxie zu beheben, aber Hyperoxie (> SpO₂ 100% über längere Zeit) zu vermeiden. Zum Beispiel soll bei Myokardinfarkt oder Schlaganfall nur O₂ gegeben werden, wenn SpO₂ < 90–92%; denn unnötige Hyperoxie kann gefäßverengend wirken und freie Radikale bilden. Im Notfall tendieren wir aber eher dazu, mehr O₂ zu geben, was in den kritischen Minuten richtig ist. Wichtig ist: Sobald stabil, Sauerstoff nach Leitlinie anpassen (z.B. Ziel 94–98% bei den meisten, 88–92% bei Hyperkapnie-Risiko).
Abschließend: Die Kenntnis dieser Werte hilft uns, Ventilationsstörungen besser einzuschätzen. Ein Beispiel: Ein Asthmatiker hat SpO₂ 92% – noch relativ okay – aber sein EtCO₂ ist 55 mmHg steigend; das zeigt: Er ventiliert schlecht, hyperkapnisch, droht zu ermüden. Ohne EtCO₂ könnte man getäuscht sein, da Sättigung noch passabel. Mit EtCO₂ weiß man: rasch weiter behandeln, evtl. Intubation erwägen. Ebenso ein COPDler: SpO₂ 88%, EtCO₂ 70 mmHg, pH 7.20 in BGA – das ist Zeichen eines respiratorischen Versagens, der wird NIV/Intubation brauchen.
Diese Parameter sind also wie das „Instrumentenbrett“ für uns Piloten der Notfallmedizin, um Navigation und Entscheidungen zu unterstützen.
7. Demografische Aspekte: Alters- und Risikogruppen
Atemwegs- und Ventilationsstörungen können grundsätzlich in jedem Alter auftreten, jedoch gibt es deutliche Häufungen bei bestimmten Alters- und Risikogruppen. Der Rettungsdienst muss seine Maßnahmen immer auch an Alter und Vorgeschichte des Patienten anpassen, da z.B. ein Kleinkind andere Atemwegsbesonderheiten hat als ein geriatrischer Patient. Im Folgenden ein Überblick über wichtige Gruppen:
Pädiatrische Patienten (Kinder): Atemnot bei Kindern ist ein häufiger Notfallgrund – Schätzungen zufolge entfallen etwa 10–24% aller pädiatrischen Notfälle auf akute respiratorische Störungen. Insbesondere Kleinkinder (< 3 Jahre) sind vulnerabel für obere Atemwegsobstruktionen wie Pseudokrupp oder Fremdkörperaspiration. So sind es meist 1–3-jährige, die Fremdkörper aspirieren (typisch Erdnüsse o.ä.). Kinder haben engere Atemwege – schon geringe Schwellungen führen zu massiv erhöhtem Widerstand (Poiseuille’sches Gesetz: Radius reduziert → Widerstand ↑↑). Daher sind Kruppanfälle oder Epiglottitis in diesem Alter oft dramatisch. Auch Asthma manifestiert sich häufig bereits im Kindesalter. Rund 10% der Kinder haben asthmatische Beschwerden; schwere Asthmaanfälle bei Jugendlichen sind besonders heikel, da sie starke Bronchospasmen entwickeln können. Bei Kindern macht Atemnot etwa ein Drittel aller Notarzteinsätze aus. Interessant ist, dass bei Kindern Atmung noch wichtigerer limitierender Faktor ist als Kreislauf – die meisten kindlichen Herz-Kreislauf-Stillstände entwickeln sich sekundär nach längerem Atemversagen (Hypoxie). Demnach hat die schnelle Sicherung der Atmung oberste Priorität in der Kindernotfallversorgung. Spezifisch für Kinder: Sie ermüden schneller, haben einen höheren O₂-Bedarf pro kgKG und geringere funktionelle Residualkapazität. Daher kann eine Apnoe rascher zu Desaturierung führen. Kinder mit chronischen Lungenerkrankungen (z.B. zystische Fibrose) oder Frühgeborene mit BPD (Bronchopulmonaler Dysplasie) sind Hochrisikopatienten, die häufiger notfallmäßige Atemprobleme haben.
Geriatrische Patienten (Senioren): Im höheren Alter häufen sich internistische Ursachen für Ventilationsstörungen. COPD ist häufig bei älteren Ex-Rauchern; Herzinsuffizienz mit Lungenödem trifft vor allem Senioren. Auch die Pneumonie findet man besonders bei älteren, immungeschwächten Menschen. Studien zeigen, dass ältere Notfallpatienten häufiger mit respiratorischen Problemen vom RD versorgt werden als Jüngere. Zudem haben ältere Menschen weniger Reserve: Die Lungenfunktion nimmt physiologisch ab (geringere Vitalkapazität, geringeres Flussreservevolumen), die Atemmuskulatur ist schwächer. Daher führt eine moderate Belastung (z.B. Grippe mit Bronchitis) schneller zur Dekompensation als bei einem jungen Menschen. Auch neurologische Erkrankungen wie Schlaganfälle (mit Aspiration) oder Parkinson (mit Schluckstörungen) betreffen eher Ältere und begünstigen Atemwegsnotfälle. Demografisch sind über 65-Jährige eine sehr große Gruppe im RD-Klientel – und sie stellen mehr Notfälle mit Komplikationen dar. Das zeigt sich z.B. darin, dass ältere Patienten deutlich häufiger mit Notarzt-Begleitung ins Krankenhaus gebracht werden als jüngere. Ein Grund ist, dass z.B. eine banale Bronchitis beim jungen Menschen ambulant geht, während beim 80-jährigen mit COPD daraus ein lebensbedrohlicher Notfall wird.
Neugeborene und Säuglinge: Hier treten spezielle Probleme wie Atemnotsyndrome (z.B. bei Frühgeborenen) oder angeborene Fehlbildungen (Choanalatresie, Tracheomalazie) auf, die primär in den ersten Lebenstagen/-wochen auffallen. Im Rettungsdienst sind Säuglinge oft mit Pseudokrupp, Bronchiolitis (RS-Virus) oder Fieberkrampf plus Aspiration Thema. Der plötzliche Säuglingstod (SIDS) kann als Atemstörung wahrgenommen werden (Apnoe). Das Herangehen an so kleine Patienten erfordert spezifisches Training – z.B. unterscheiden sich die Atemwege anatomisch: große Zunge, hohe Lage des Kehlkopfs, schmaler Subglottis-Ring. Das macht Intubationen schwieriger und erklärt, warum Kleinkinder v.a. bei Atemwegsverlegungen schnell kritisch werden.
Schwangere: Während der Schwangerschaft sind anatomische und physiologische Anpassungen zu beachten: z.B. haben Schwangere ein erhöhtes Atemminutenvolumen (Progesteron-Effekt) und eine leichte respiratorische Alkalose als neuen Sollwert. Im Notfall – etwa Trauma – kann eine werdende Mutter durch flache Rückenlage die Atemreserve verlieren (Vena cava Kompression → verminderte Auswurfleistung, alveoläre Minderperfusion). Bei Beatmung muss man ggf. den erhöhten Sauerstoffbedarf und verkleinertes Lungenvolumen (hochgedrängtes Zwerchfell) berücksichtigen. Schwangerschaft selbst schützt nicht vor Asthmaanfällen oder Lungenembolien – im Gegenteil, Letztere kommen häufiger vor (Hyperkoagulabilität). Der RD sollte bei Schwangeren mit Dyspnoe immer an Lungenembolie denken, v.a. im Wochenbett.
Risikogruppen durch berufliche/Umwelt-Exposition: Z.B. Bergleute (Silikose), Feuerwehrleute (Rauchgasinhalation) – können akute Verschlechterungen haben. Auch hier meist im Alter symptomatisch.
Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen: Etwa ALS, spinale Muskelatrophie, fortgeschrittene MS – diese haben schwache Atemmuskulatur und können bei Infekten oder Ermüdung in Atemnot geraten. Sie sind auch ein typisches Klientel für Heimbeatmung. Notfallsanitäter treffen evtl. auf Heimpflege-Patienten mit Respirator (Heimbeatmungsgerät). Dort gilt es, die Gerätekenntnis zu haben oder im Zweifel auf Transport-Beatmung umzustecken.
Asthma/COPD-Patienten: Obwohl diese Diagnosen in vielen Altersgruppen vorkommen (Asthma mehr jüngere, COPD eher ältere), kann man sie als besondere Kohorten sehen. COPDler sind oft mehrfach im RD wegen Exazerbationen. Sie haben oft eine Patientenverfügung oder spezielle Vorstellungen (manche wollen nicht mehr intubiert werden). Der DBRD (Deutscher Berufsverband Rettungsdienst) betont Fortbildungen zum Umgang mit solchen Chronikern, da diese Fälle viel Feingefühl brauchen (wann O₂ geben, wann vorsichtig, wann NIV etc.). Asthmatiker – v.a. solche mit bereits intensivpflichtigen Anfällen in der Vorgeschichte – sind als Hochrisiko einzustufen (Risikofaktoren für tödliches Asthma umfassen: vorherige Intubation, >2 Hospitalisationen/Jahr, psychiatrische Komorbidität, schlechte Medikamenten-Adhärenz). Die meisten Asthma-Todesfälle passieren vor Ankunft im Krankenhaus. Das heißt, der RD hat eine Schlüsselrolle, diese zu verhindern, indem er aggressive Therapie einsetzt.
Geriatrisch vs. Pädiatrisch – Unterschiede im Management: Bei alten Menschen ist oft die Geräte- und Medikamentenapplikation leichter (größere Strukturen, gewohnte Dosierungen), aber die Reserven sind klein. Bei Kindern hat man meist bessere Reserven, wenn das Problem behoben wird (z.B. Adrenalin inhalieren – Kind schwillt ab und wird schnell wieder fit), aber im Akutfall sind sie labiler (einmal dekompensiert, rascher Herzstillstand). Daher sollte man bei Kindern sehr früh intervenieren, um es gar nicht so weit kommen zu lassen. Bei Alten muss man individuelle Zielwerte definieren – bei dem 90-jährigen COPDler, der seit Jahren auf 88% lebt, muss man nicht 100% anstreben; bei ihm ist vielleicht das wichtigere Ziel, CO₂-Narkose zu vermeiden.
Demografie im RD: Ältere Patienten sind mittlerweile ein großer Anteil der RD-Einsätze (Alterung der Gesellschaft). Viele davon mit pulmonaler Vorerkrankung. Jüngere Erwachsene rufen oft wegen Trauma oder Intox an – auch dort gibt es Ventilationsstörungen (z.B. Polytrauma mit Pneumothorax, Intox mit Atemdepression).
Besondere Risikogruppen:
In der Notfallstatistik zeigt sich: Respiratorische Notfälle sind insgesamt häufig. In pädiatrischer Notfallmedizin stellen sie wie erwähnt ~21% der Indikationen. Im Erwachsenenbereich liegen Schätzungen um 10–15% der Notfalleinsätze haben primär respiratorische Ursache. Mit dem Älterwerden der Bevölkerung könnte dieser Anteil zunehmen, da Lungenkrankheiten kumulativ öfter auftreten.
Fazit: Der Rettungsdienst muss Alter und Risikoprofil des Patienten immer mitdenken. Ein und dasselbe Symptom „Atemnot“ hat beim 2-Jährigen (häufig Pseudokrupp oder Fremdkörper) und beim 72-Jährigen (häufig COPD oder Herzversagen) ganz andere Ursachen und erfordert teils andere Maßnahmen. Die SOPs(Standard Operating Procedures) tragen dem Rechnung, indem es z.B. separate Algorithmen gibt: „Atemnot beim Kind“ (Algorithmus 511) getrennt von „Akute obstruktive Atemwegserkrankung beim Erwachsenen“ (Algo 312). Entsprechend sollte man stets altersadaptierte Ausrüstung (kleinere Tuben, Dosierungen) bereithalten und sich bewusst sein, welche Gruppen häufiger betroffen sind, um diese Risiken früh zu erkennen.
8. Diagnostik und prähospitale Maßnahmen im Rettungsdienst
Die effektive Versorgung von Ventilationsstörungen im Rettungsdienst beruht auf rascher Erkennung von Warnzeichen, konsequentem Monitoring der Atmung und gezielten Maßnahmen, die je nach Schwere von einfachen Atemunterstützungen bis zu invasiven Eingriffen reichen. In Hessen gibt es hierfür spezifische SOPs und Algorithmen, die den Notfallsanitätern Handlungsrahmen geben. Im Folgenden wird das systematische Vorgehen dargestellt:
Erkennung von Warnzeichen einer Ventilationsstörung
Bereits beim Eintreffen sollte der Retter auf Hinweise für ein Atemproblem achten. Leitsymptom ist oft die Dyspnoe – der Patient äußert Atemnot oder macht einen hochgradig angestrengten Eindruck beim Atmen. Objektive Warnzeichen sind: mit bloßem Ohr hörbare Atemgeräusche (z.B. lautes Pfeifen oder Rasseln), sichtbar verstärkte Atemarbeit mit Einsatz der Atemhilfsmuskulatur (z.B. aufgestützte Arme, Einziehungen an Jugulum, Zwischenrippen und Schlüsselbeinen) und eventuell Zyanose (Blaufärbung von Lippen/Haut) . Weitere Hinweise: Tachypnoe (beschleunigte Atmung > 20/min) oder ein unregelmäßiges, pathologisches Atemmuster (Cheyne-Stokes, Schnappatmung). Patienten mit schwerer Atemnot sprechen oft nur in einzelnen Worten – diese Sprechdyspnoe zeigt eine deutliche Einschränkung an. Auch Husten kann ein Zeichen sein, insbesondere produktiver Husten mit brodelndem Geräusch (Hinweis auf Sekret/Flüssigkeit in Atemwegen). Ein „leiser“ Thorax trotz offensichtlicher Anstrengung (Paradoxon: keine Atemgeräusche bei mühsamer Atmung) deutet auf eine sehr schwere Obstruktion oder Erschöpfung hin (Silent Chest bei Asthma-Exazerbation ist ein präfinales Zeichen).
Ein besonders wichtiges Warnzeichen ist der Bewusstseinszustand: Agitation und Unruhe können auf Hypoxie hinweisen, während plötzliche Ruhe und Schläfrigkeit bei einem vormals agitierten Atemnotpatienten ein Alarmzeichen für Hyperkapnie und beginnende CO₂-Narkose ist. So etwa beim COPDler: erst angstvoll und tachypnoeisch, dann auf einmal benommen – hier droht Atemstillstand. Ebenso gilt: Wird ein Patient mit Atemnot plötzlich apathisch oder reagiert nicht mehr adäquat, muss man an eine drohende Bewusstlosigkeit durch respiratorisches Versagen denken.
Körperliche Untersuchung: Eine Inspektion des Thorax kann Deformitäten (emphysematischer Fassthorax, paradoxe Thoraxbewegungen bei instabiler Thoraxwand) zeigen. Auskultation ist essentiell: Giemen/Pfeifen → spricht für Asthma/COPD; feuchte grobblasige Rasselgeräusche → Lungenödem oder Bronchialsekret; feine Rasselgeräusche basal → Pneumonie oder beginnendes Lungenödem; Stridor inspiratorisch → obere Atemwegsenge (Krupp, Epiglottitis, Fremdkörper); abgeschwächtes Atemgeräusch einseitig → Pneumothorax oder Pleuraerguss; einseitig grobblasig (und evtl. kein Atemgeräusch basal) → Aspirationsseite oder Hämatothorax. Auch ein Perkussionston kann Hinweise geben: hypersonorer Klopfschall bei Pneumothorax (luftleerer), gedämpfter Schall bei Hämatothorax oder großer Pneumonie.
Vitalparameter: Neben Atemfrequenz sind Herzfrequenz und Blutdruck wichtig. Tachykardie kann unspezifisch Stress bedeuten, aber eine Pulsbeschleunigung >130/min bei Atemnot kann auch auf eine drohende Dekompensation hindeuten (oder ursächlich, z.B. bei Lungenembolie). Ein Bradykardie und Hypotonie im Kontext respiratorischer Probleme ist sehr bedrohlich – könnte auf imminenten Kreislaufstillstand hindeuten (z.B. bei Hypoxie oder Spannungspneu).
All diese Zeichen werden im Initialeindruck nach dem ABCDE-Schema erfasst. Bei „B – Breathing“ wird geschaut: Ist das Atemgeräusch frei? Wie ist die Atemarbeit? Bewusstseinslage? Zyanose vorhanden? Nach diesem Ersteindruck trifft man die Entscheidung, ob sofortige lebensrettende Maßnahmen nötig sind (z.B. Heimlich-Manöver, Thoraxentlastung, Intubation) oder ob man geordnet weiter untersuchen kann.
Monitoring: SpO₂, Atemfrequenz, Auskultation, EtCO₂
Sobald möglich, werden Monitoring-Geräte angeschlossen:
Die Kombination aus subjektiver Einschätzung und objektivem Monitoring ermöglicht eine laufende Evaluation, ob die ergriffenen Maßnahmen ausreichen oder eskaliert werden muss. So kann ein Algorithmus lauten: Asthmaanfall – nach Inhalation Re-Evaluierung; falls weiter AF > 30, SpO₂ < 90%, Patient erschöpft → nächste Eskalationsstufe (Notarzt, Magnesium, Intubationserwägung). Monitoring liefert hier die Daten für diese Entscheidungen.
Einsatz von Atemhilfen: CPAP, BiPAP, Sauerstofftherapie
Sauerstoffgabe: Bei nahezu allen Ventilationsstörungen initial indiziert, außer klare Hyperventilation ohne Hypoxie. Standard: bei SpO₂ < 90% oder eindeutiger Dyspnoe 15 l/min über Maske mit Reservoir. Bei leichteren Fällen (SpO₂ leicht erniedrigt, Patient toleriert) kann eine Nasenbrille mit 2–6 l/min reichen. Aber grundsätzlich gilt im RD: Lieber zu viel O₂ als zu wenig in der Akutphase, solange keine speziellen Umstände vorliegen. Dies deckt sich mit der AWMF-S3-Leitlinie, die besagt Hypoxie (< SpO₂ 90%) unbedingt vermeiden, Hyperoxie (> 96%) aber nach Stabilisierung vermeiden. Praktisch: Während des kritischen Transports oft 100% FiO₂, in der Klinik dann titrieren. Ausnahmen: Bei bekannter chronischer CO₂-Retention behutsam vorgehen – aber auch hier: Im Zweifel O₂ geben und im Blick behalten, denn Hypoxie tötet schneller als Hyperkapnie.
Lagerung und einfache Hilfen: Aufrecht sitzen erleichtert fast allen Patienten das Atmen (bessere Zwerchfellbewegung, weniger venöser Rückstrom bei Lungenödem). Daher wenn möglich Oberkörper hoch, Lagerung nach Patientenvorliebe (Asthmatiker oft im Kutschersitz). Bei Bewusstlosen: stabile Seitenlage für freies Atmen. Atemerleichternde Haltung (Arme aufgestützt) und Lippenbremse anleiten (bes. bei COPD/Asthma) sind simple, aber wirkungsvolle Hilfen. Kühlung oder Dampfinhalation sind spezielle Maßnahmen bei Krupp (feuchte kalte Luft) – Eltern kennen das oft.
Bronchodilatatoren inhalativ: Wie erwähnt, im RD via Vernebler gängig: Salbutamol, Ipratropium. Teilweise haben Patienten eigene Dosieraerosole; der RD kann mit Inhalierhilfe (Spacer) helfen, diese effektiv zu nutzen. Viele RTW führen fertig gemischte Vernebler-Lösungen (Berodual = Fenoterol+Ipratropium) mit O₂-Betrieb. Wichtig: Aerosolvernebler am besten an 6–8 l O₂ hängen, damit es fein nebelt. Beim spontan atmenden Patient Mundstück oder Maske geben; beim assistierten/beatmeten Patienten kann man es in den Tubus-Konnektor sprühen oder einen Inline-Vernebler nutzen. Wirkung sollte in 5–10 Min spürbar sein (Besserung Auskultation, sinkende AF).
Nicht-invasive Beatmung (NIV): Insbesondere CPAP (Continuous Positive Airway Pressure) hat in den letzten Jahren präklinisch an Bedeutung gewonnen. Wie bereits ausführlich erwähnt: CPAP ist sehr hilfreich bei Lungenödem, aber auch bei COPD-Exazerbation. Es liefert einen positiven endexspiratorischen Druck (PEEP), typischerweise 5–10 mbar, der Alveolen offen hält und Oxygenierung verbessert. Bei CPAP atmet der Patient spontan weiter, es wird keine Frequenz vorgegeben – nur ein Flow-unterstützter PEEP. BiPAP oder genereller zweistufige NIV (mit inspiratorischem Drucksupport = IPAP) ist im RD seltener, da es ein etwas komplexeres Gerät erfordert (Respirator, der Trigger erkennt). Allerdings können moderne Transportrespiratoren (z.B. Weinmann Medumat Standard², Dräger Oxylog 3000 etc.) oft einen NIV-Modus mit Druckunterstützung. So kann man z.B. 15/5 mbar (IPAP/EPAP) einstellen für COPD. Der große Vorteil von Druckunterstützung: Es hilft auch bei CO₂-Abatmung, nicht nur O₂-Aufnahme. Daher für hyperkapnische COPDler eigentlich ideal. Einige Rettungsdienste (z.B. in RLP) haben Algorithmen, die Boussignac-CPAP (kontinuierlich) als Option vorsehen, aber auch druckkontrollierte Beatmung falls CPAP nicht reicht.
Durchführung CPAP: Man verwendet entweder ein CPAP-System (z.B. Boussignac-Maske, die via O₂-Flow venturiartig Druck macht) oder ein Transport-Beatmungsgerät mit CPAP-Funktion. Wichtig: Kontraindikationen beachten – bewusstlos (keine Schutzreflexe), schwere Gesichtsverletzungen, Erbrechen, Kreislaufinstabilität (relative KI, da CPAP venösen Rückstrom senkt). Vor CPAP Gabe immer einwilligung/Verständnis des wachen Patienten einholen und gut erklären („Sie bekommen jetzt eine Atemmaske, die Ihnen mit etwas Druck Luft gibt, das erleichtert das Atmen.“). Initial ist der Druck (und die Maske) unbequem, der Patient muss motiviert werden mitzuwirken. Sedierung im RD bei CPAP ist schwierig – höchstens minimal mit Morphin (2 mg i.v.) oder Midazolam (1 mg titrieren), aber Vorsicht, nicht Atemantrieb zu verlieren.
Die positive Wirkung zeigt sich oft rasch: z.B. Lungenödem-Patient hört auf zu kämpfen, wird ruhiger, SpO₂ steigt, Rasselgeräusche nehmen ab. Fortlaufend muss man aber auf Dichtigkeit (Maskensitz) und Toleranz achten. Bei Erbrechen sofort Maske runter, Absaugen – Aspirationsgefahr groß unter CPAP, da Luft Nahrung in Magen drücken kann.
Studienlage: CPAP prähospital senkt Intubationsraten und möglicherweise Sterblichkeit bei Lungenödem. Daher fordern Fachgesellschaften (DIVI, DGIIN) flächendeckend CPAP im RD. In Hessen haben viele Rettungsdienste dies bereits implementiert, teils mit Boussignac (der Nachteil: hoher O₂-Verbrauch), teils mit Transport-Respiratoren.
Invasive Maßnahmen: Intubation, Koniotomie, Thoraxentlastung
Wenn weniger invasive Methoden nicht ausreichen oder nicht anwendbar sind, kommen invasive Atemwegsmaßnahmen ins Spiel:
Technisch muss man bei Notfallintubation im RD oft eine Rapid Sequence Induction (RSI) machen – d.h. zügige Narkoseeinleitung mit Hypnotikum (z.B. Etomidat/Ketamin) und Muskelrelaxans (Succinylcholin oder Rocuronium), ohne Zwischenbeatmung, um dann schnell zu intubieren. So soll das Aspirationsrisiko minimiert werden. Dazu braucht es aber Notarztkompetenz (NFS dürfen keine Relaxantien geben). Intubation soll unter dem Schutz einer 100% O₂-Voroxygenierung erfolgen, ideal falls Zeit 3 Min mit Maske atmen lassen (den sog. Apnoe-Safe-Buffer). Bei Crash-Intubation (z.B. Trauma-Patient schnappatmet) muss man Kompromisse machen – da sichert man erst mal den Tubus, dann um Perfusion kümmern.
Komplikationen: Ösophagusintubation (daher EtCO₂ prüfen und auskultieren), Zahnschäden, Laryngospasmus etc. DGAI/DIVI haben deshalb die erwähnte S1-Leitlinie Prähospitales Atemwegsmanagement entwickelt, die u.a. die Verwendung supraglottischer Hilfsmittel (Larynx-Tubus, Larynxmaske) betont, falls die Intubation misslingt. Insbesondere soll man nicht endlos intubieren versuchen, sondern Plan B und C haben – in RD z.B.: 1. Intubation versucht, wenn nicht schnell klappt → Larynxtubus rein und damit beatmen. Das hat nachweislich Überlebensvorteile, da keine langen Hypoxiephasen durch Intubationsversuche entstehen.
Für Ventilationsstörungen heißt Intubation z.B.: bei schwerem Status Asthmaticus, der trotz aller Therapie nicht besser wird, Bewusstsein sinkt → Intubation, kontrollierte Beatmung mit vorsichtigen Einstellungen (lange Exspiration); beim Schädel-Hirn-Trauma mit GCS < 8 → Intubation zum Aspirationsschutz und um ggf. hyperventilieren zu können (zur Senkung Hirndruck, aber das ist umstritten, heutzutage nur mild Hyperventilieren auf pCO₂ ~30). Bei Anaphylaxie mit drohendem Glottisödem → früh intubieren bevor der Kehlkopf zugeschwollen ist, sonst unmöglich.
Für einen inhalationstrauma-Patient mit geschwollenen Atemwegen kann Koniotomie lebensrettend sein. Oder der eingangs erwähnte Epiglottitis-Kind (heute selten): wenn es erstickt vor Eintreffen im OP, dann müsste man vor Ort eine Nadelkoniotomie machen (bei <8 Jahren eher Punktionskoniotomie mit Jet-Ventilation). Der Zugang zur Koniotomie ist leichter tastbar bei Männern (Adamsapfel), schwieriger bei adipösen. Das Procedere braucht Training, aber es ist schnell: Hautinzision, Membran horizontal spalten, Führungsstab rein, Tubus nachschieben. Der Spruch: “Can’t intubate, can’t ventilate – cut the neck!” drückt aus, dass man im Zweifel lieber diese dramatische Maßnahme durchführt, als den Patienten hypoxisch versterben zu lassen.
Im traumatologischen Algorithmus (z.B. Polytrauma, A-B-C-Probleme) steht die Thoraxentlastung weit oben bei festgestelltem Spannungspneu. Im Schockraum vom NAW-Klinik-Team oft noch vor Rö-Thorax schnell bilateral entlastet mit Mini-Thorakostomien, genau um Ventilationsproblem auszuschließen. Der RD muss also dieses Bewusstsein haben: Crash-Patient mit Kreislaufstillstand → denke an Spannungspeumothorax, auch wenn du es nicht 100% sicher weißt, entlaste prophylaktisch. So empfiehlt es die S3-Leitlinie Polytrauma übrigens auch, dem präklinischen Team ein „therapeutic trial“ Nadeldekompression bei Verdacht zu erlauben.
Medikamente und SOPs in Hessen:
In Hessen existieren landesweite oder bereichsweite Algorithmen, die genau festlegen, welche Maßnahmen ein Notfallsanitäter ohne Notarzt durchführen darf, insbesondere erweiterte Versorgungsmaßnahmen (EVM)nach §2c NotSanG. Beispielsweise im Main-Kinzig-Kreis Algorithmus 312 (Asthma/COPD): Dort sind explizit freigegeben: Sauerstoff, Lagerung, Inhalative β2-Mimetika/Ipratropium, i.v. Zugang, Infusion; Prednisolon, Reproterol, Magnesium hingegen unter „Notarzt“ markiert. Ebenso die NIV (CPAP) wird in manchem Algorithmus erwähnt, wobei falls NFS dafür geschult sind, sie es tun dürfen (NIV ist in manchen Bundesländern Notarztvorbehalt, andernorts als EVM erlaubt, in RLP z.B. als EVM freigegeben laut Algorithmen-2021). Die Thoraxentlastung ist in Hessens NFS-Ausbildung als theoretische Kenntnis enthalten; praktisch wird es wohl als Notkompetenz im Extremfall toleriert.
Für strukturierte Versorgung haben die meisten RD-Bereiche Checklisten – z.B. allergische Reaktion mit Atembeteiligung: Adrenalin-Management; Intoxikation Opiat: Naloxon-Schema. Der ÄLRD Hessen hat die HLFS-Unterlagen (siehe Zitate) erarbeiten lassen, um landesweit einheitliches Wissen zu generieren.
Ein hessenspezifisches Detail: Es gibt in Hessen den Algorithmus „Akute Atemwegsverlegung – FBAO“ (Foreign Body Airway Obstruction), der dem internationalen Choking Algorithm entspricht: Bewusst bei verlegtem Atemweg → 5 Rückenschläge, 5 Heimlich, alternieren… Bewusstlos → Reanimation starten. Dieser ist Teil der Erste-Hilfe-Ausbildung und NotSan-Lernunterlagen. Ebenso hat Hessen Algorithmen für spezielle Situationen wie „Respiratorische Insuffizienz bei COVID-19“ (während Pandemie erstellt), der z.B. Früh-Intubation vs. CPAP in Abhängigkeit von Oxygenierungsgrad vorsah.
Invasive vs. nicht-invasive Abwägung: Grundsätzlich versucht man prähospital möglichst mit NIV und konservativer Therapie auszukommen, da Intubation und invasive Beatmung erhebliche Risiken birgt (Komplikationen beim Einführen, dann Sedierung nötig, nachfolgendes pneumonie-Risiko etc.). Studien (z.B. aus UK) zeigten, dass die Einführung von präklinischem CPAP die Intubationsraten deutlich senkte. Das deckt sich mit Anekdoten: Vor 20 Jahren wurde fast jeder schwere Lungenödem intubiert, heute werden viele erfolgreich mit CPAP auf Intensiv gebracht, ohne Intubation. Das ist gut, weil die Sterblichkeit intubierter Patienten höher war. Natürlich bleibt: Wenn NIV nicht greift, darf man nicht zögern, invasiv zu sichern.
Beispielhafte SOP-Ausschnitte (Hessen):
Zusammenarbeit im Team: Atemnot-Patienten erfordern häufig ein eingespieltes Team: Einer spricht beruhigend mit Patient, der andere bereitet Medikation vor, der Dritte überwacht Monitore. Bei Intubation im Feld ist eine klare Aufgabenverteilung (Apnoe-Phase – wer intubiert, wer drückt den Ringknorpel, wer gibt Medikamente, wer fixiert danach etc.) nötig. Crew Resource Management (CRM) Prinzipien sind wichtig.
Somit sind Diagnostik und Maßnahmen ein integraler Prozess: beginnend mit dem Erkennen von A/B-Problemen im Primary Survey, über Monitoring und gezielte therapeutische Schritte, bis zur Entscheidung, ob und wann invasiv vorgegangen werden muss. Der Rettungsdienst stützt sich dabei auf aktuelle Leitlinien und standardisierte Vorgehensweisen (SOPs), um effektiv und sicher zu handeln. Letztlich kann dadurch die präklinische Mortalität respiratorischer Notfälle gesenkt werden, wie es auch in der Literatur gefordert wird („früh erkennen – schnell behandeln“).
9. Fallbeispiele aus der Praxis
Um die oben genannten Konzepte greifbarer zu machen, folgen einige anonymisierte Fallbeispiele aus dem rettungsdienstlichen Alltag, die typische Szenarien von Ventilationsstörungen illustrieren:
Fallbeispiel 1: COPD-Exazerbation beim älteren Patienten
Situation: Der Rettungsdienst wird zu einem 61-jährigen Mann gerufen, der seit Tagen zunehmend unter Atemnot leidet. Seine Ehefrau berichtet, er habe COPD (Stadium GOLD II) und einen Infekt seit 4 Tagen mit Husten. Heute sei er ungewöhnlich schläfrig und „verwirrt“ gewesen, daher der Notruf. Beim Eintreffen sitzt der Patient in einem Sessel, reagiert verzögert auf Ansprache. Auffällig sind eine AF von 24/min, Lippenzyanose, und eine pulsoxymetrische SpO₂ von 80% auf Raumluft. Er hat ein leicht verlangsamtes, benommenes Wesen (CO₂-Narkose möglich). Auskultation: beidseits sehr leises Atemgeräusch mit Giemen und Brummen. RR 130/80, Puls 106/min rhythmisch.
Maßnahmen und Verlauf: Sofort wird O₂ über Nasenbrille gegeben (3 l/min), woraufhin die SpO₂ auf 90% ansteigt. Der Patient erhält einen i.v.-Zugang und der eintreffende Notarzt injiziert 100 mg Prednisolon i.v.. Parallel inhaliert der Patient – mit Hilfe des Rettungsdienstpersonals und eines Spacers – 2 Hübe Salbutamol. Daraufhin bessert sich sein Giemen leicht und er wirkt wacher. Die AF sinkt auf 20/min, SpO₂ nun 94% mit O₂. Der Patient wird zügig unter Monitoring in eine Lungenfachklinik transportiert.
In der Klinik bestätigt sich die infektbedingte COPD-Exazerbation mit beginnendem ventilatorischem Versagen: Die initiale BGA zeigte pO₂ 64 mmHg, pCO₂ 67 mmHg. Es wurde eine nichtinvasive Beatmung (NIV) auf der Intensivstation eingeleitet, die der Patient gut tolerierte, wodurch sich seine Blutgase innerhalb eines Tages normalisierten. Nach 14 Tagen konnte er stabil nach Hause entlassen werden, mit weiterführender nächtlicher NIV-Therapie.
Kommentar: Dieser Fall demonstriert einen klassischen COPD-Schub. Entscheidende Punkte waren die Erkennung der CO₂-Narkose (Verwirrtheit) und Hypoxie (80% SpO₂) sowie die umgehende O₂-Gabe und Bronchodilatation. Durch die frühzeitige Steroidgabe wurde die Entzündung angegangen. Dass keine Intubation nötig wurde, lag auch an der Möglichkeit, in der Klinik NIV einzusetzen. Wichtig aus RD-Sicht: Trotz des Wissens um „Vorsicht mit O₂ bei COPD“ wurde hier zu Recht Sauerstoff gegeben – 80% waren deutlich zu niedrig. Mit 90%+ war der Patient dann ausreichend versorgt, ohne in Apnoe zu fallen. Das Monitoring und das wachsame Auge auf Bewusstsein verhinderten, dass der Patient in tiefe CO₂-Narkose glitt. Dieses Fallbeispiel entspricht einem häufigen RD-Einsatz, da COPD sehr verbreitet ist.
Fallbeispiel 2: Asthmaanfall bei junger Frau
Situation: Eine 28-jährige Frau, bekanntes Asthma bronchiale, bekommt in ihrer Wohnung plötzlich einen schweren Asthmaanfall. Die Freundinnen berichten, sie habe Allergie gegen Katzen und es war eine Katze im Raum. Bei Eintreffen des Notfallteams sitzt die Patientin am Boden, ringt nach Luft, kann kaum sprechen („Hilfe…Luft…“). Auffällig sind laute exspiratorische Giemende Geräusche, massiver Einsatz der Atemhilfsmuskulatur, AF ~ 32/min. Sie ist zyanotisch an den Lippen und sehr ängstlich/panisch (weit aufgerissene Augen, klammert eine Freundin). SpO₂ anfangs 86%. Puls 140/min, Rhythmus sinus. RR 150/95.
Maßnahmen: Der Rettungsdienst gibt ihr umgehend 8 l/min O₂ über eine Maske. Gleichzeitig wird sie beruhigt angesprochen („Wir sind da, versuchen Sie ruhig zu atmen, wir helfen Ihnen“). Mit ihrem eigenen Spray hatte sie bereits 2 Hübe genommen, leider ohne Effekt. Es wird ein Vernebler mit 2,5 mg Salbutamol und 0,5 mg Ipratropium vorbereitet und mittels O₂ betrieben; die Patientin nimmt die Verneblermaske selbst ans Gesicht. Nach wenigen Minuten Inhalation reduziert sich das Pfeifen etwas. Ein Zugang wird gelegt, und da ein Notarzt wenige Minuten entfernt ist, wird entschieden, auf diesen zu warten für eventuelles eskalieren. Zwischenzeitlich erhält die Patientin bereits 50 mg Prednisolon oral (Brausetablette in Wasser aufgelöst), da sie noch schlucken kann. Der Notarzt trifft ein, die Patientin hustet inzwischen etwas und bringt zähen Schleim hoch – Zeichen, dass die Bronchien sich minimal öffnen. Dennoch ist sie noch schwer dyspnoisch (AF 28, spricht nur 1–2 Wörter). Der Arzt entscheidet sich für 2 g Magnesiumsulfat i.v. über 20 Minuten (in langsamer Infusion). Zusätzlich wird 5 mg Morphin i.v. verabreicht, um die Atemarbeit und Angst zu lindern. Daraufhin entspannt sich die Patientin etwas, die AF sinkt auf 24, sie kann wieder ganze Sätze keuchen. SpO₂ nun 95% mit O₂. Sie wird monitorüberwacht ins Krankenhaus gebracht.
Auf dem Transport verschlechtert sich die Lage plötzlich: Die Patientin klagt, sie könne nicht mehr, und wird bewusstlos. Das Atemgeräusch ist kaum mehr hörbar („silent chest“). Sofort wird sie mit Beutel-Maske beatmet. Der Notarzt intubiert sie (Suxamethonium + Ketamin als RSI) – dies gelingt sofort. Kapnographie zeigt initial EtCO₂ 55 mmHg. Man stellt eine Beatmung von 8/min mit verlängertem Exspirationsverhältnis ein. Unter Beatmung stabilisiert sich ihr O₂ und CO₂. Im Zielkrankenhaus wird sie intensivmedizinisch weiterbehandelt und nach 24h maschineller Beatmung extubiert. Sie berichtet, dass sie noch nie einen so schlimmen Anfall hatte. Sie hatte trotz Warnzeichen zu spät den RD gerufen.
Kommentar: Dieser Fall zeigt einen fulminanten Status asthmaticus. Trotz leitliniengerechter Therapie (β2-Mimetika, Anticholinergika, Steroid, Mg²⁺) kam es zur weiteren Verschlechterung – ein Near-Fatal Asthma. Der Turnover zur Intubation war hier lebensrettend. Interessant ist die Einbeziehung von Morphin zur Sedierung – unkonventionell, aber im Asthma notfalls vertretbar um extreme Hyperventilation zu dämpfen. Letztlich war aber die Intubation unvermeidlich, als die Patientin erschöpfte (CO₂-Anstieg, Bewusstlosigkeit). Der Fall zeigt auch, wie wichtig es ist, Warnzeichen (Silent Chest, Erschöpfung) zu kennen und dann unverzüglich zu handeln (hier: umgehend Intubation als es kippte). Ein positiver Aspekt war, dass der Patientin die notfallmedizinischen Schritte erklärt wurden und so weit wie möglich in Absprache (bis Bewusstlosigkeit) – das nahm etwas Angst. Bei Asthma sollte der RD immer auf einen möglichen schnellen Absturz gefasst sein, wie man sieht.
Fallbeispiel 3: Traumatischer Spannungspneumothorax nach Verkehrsunfall
Situation: Ein 27-jähriger Mann prallt mit seinem Kleinwagen frontal gegen einen Baum. Er ist auf dem Fahrersitz eingeklemmt, bei Bewusstsein aber benommen. Der First Responder (Feuerwehr) meldet, der Patient sei zyanotisch und habe Atemprobleme. Beim Eintreffen des NAW hat die Feuerwehr das Fahrzeug geöffnet. Der Patient liegt nun auf einer Vakuummatratze. Er ist agitiert, ruft vor Schmerzen (Brust und Bauch). Die Atmung ist sehr schnell (AF ~ 40), flach und ineffektiv. Auffällig: er hat eine abgeflachte linke Thoraxseite, dort keine Atemexkursion sichtbar. Die Halsvenen sind deutlich gestaut. Auskultation: rechts kräftiges Atemgeräusch, links kein Atemgeräusch hörbar. Perkussion links: hypersonor (lauter, hohler Klang). Puls tastbar 140/min, sehr schwach; Blutdruck 80/50 mmHg. Der Patient ist verwirrt (Hypoxie und Schock). Die Diagnose ist naheliegend: Spannungspneumothorax links bei Thoraxtrauma.
Maßnahmen: Während ein Teammitglied den Patienten mit 15 l O₂ beatmet (Assistenz mit Beutel, da er sehr flach atmet), bereitet der Notarzt sofort eine Entlastungspunktion vor. Mit einer großlumigen 14G-Kanüle (8 cm Länge) punktiert er im 5. ICR vordere Axillarlinie links. Beim Durchstechen zischt es hörbar; der Patient reagiert mit einem Aufstöhnen. Rasch verbessert sich seine Kreislauf: Puls geht auf 120 zurück, Blutdruck auf 95/60. Die Atemnot lässt minimal nach, er wirkt etwas weniger zyanotisch. Nun wird eine Intubation durchgeführt (traumainduzierte Narkose). Nach Intubation (Tubuslage per Kapno bestätigt) wird der Patient kontrolliert beatmet. Der linke Hemithorax wird mit einer Bülau-Drainage versorgt, die der Notarzt vor Ort legt (Fingerthorakostomie, dann 28Ch Drain einführen). Es entweichen nochmals ca. 1000 ml Luft und schaumiges Blut über die Drainage – es bestand also ein Hämatopneumothorax mit Spannungskomponente. Der Patient wird zügig in den Schockraum transportiert. Dort zeigt das CT: Rippenserienfraktur links mit Lungenriss, massive Lungenkontusion links, außerdem Milzruptur (er hatte also auch inneres Abdomen-Trauma). Der Patient überlebt nach Not-OP (Splenektomie, Thoraxdrainagen) und Intensivphase.
Kommentar: Hier war das sofortige Erkennen und Behandeln des Spannungspneus lebensrettend. Der Patient war bereits im Schock (hoher Puls, niedriger Druck) und hätte ohne Entlastung wohl einen Herzstillstand erlitten, noch ehe man aus dem Auto raus war. Die Kombination der klinischen Zeichen (asymmetrische Atmung, fehlendes Atemgeräusch, Halsvenenstau) machte die Diagnose eindeutig – es wurde nicht gezögert, zu punktieren. Die Verwendung der 5. ICR vorderen Axillarlinie war gemäß neueren Empfehlungen und funktionierte. Nach Dekompression sah man die Verbesserung, was die Diagnose bestätigte. Auch wichtig: Die nachfolgende Drainage, denn die Nadel allein hätte sich vielleicht verlegt. Dieser Fall zeigt zudem die Komplexität polytraumatisierter Patienten: Atemproblem plus innere Verletzungen. Aber nach ABC hat man korrekterweise erst A und B gelöst (Intubation, Entlastung) ehe man zum Bauchproblem kam. In so einem Szenario sind parallele Teams ideal (ein Team kümmert sich um Atemweg/Thorax, ein anderes um Zugänge/Blutungen). Für Notfallsanitäter ohne NA wäre hier vermutlich ähnlich abgelaufen bis zur Punktionsentscheidung – in deren Ausbildung wird genau dieses Spannungsbild gelehrt mit Handlungsauftrag „im absoluten Notfall selbst entlasten“.
Fallbeispiel 4: Pseudokrupp bei Kleinkind
Situation: Winter, 23 Uhr. Eltern rufen den Rettungsdienst, weil ihre 2-jährige Tochter plötzlich starken Husten und Atemnot hat. Beim Eintreffen hört man schon im Hintergrund ein charakteristisches „bellendes“ Husten. Das Mädchen sitzt bei der Mutter auf dem Arm, wirkt verängstigt und weint heiser. Es besteht ein lauter inspiratorischer Stridor, insbesondere beim Einatmen hört man ein raues Ziehen. Die Atemfrequenz ist 30/min, was für ein Kind in dem Alter erhöht ist. Sie hat leichte Lippenzyanose. Laut Eltern kein Fieber, nur etwas Schnupfen tagsüber. Diagnose: typischer Pseudokrupp-Anfall.
Maßnahmen: Der RTW-Mitarbeiter beruhigt die Eltern und das Kind: Er lässt die Mutter das Kind weiter im Arm halten. Beruhigung ist hier Therapie – es wird erklärt, dass man ein Medikament inhalieren möchte, das hilft. Man öffnet ein Fenster, da kalte Nachtluft hereinkommt, was erfahrungsgemäß abschwellend wirken kann. Das Kind bekommt dann Adrenalin 1:1000 (L-Adrenalin) 3 ml mit 3 ml NaCl über einen Vernebler, den die Mutter vor das Gesicht halten darf (ohne zu zwingen). Nach wenigen Atemzügen lehnt das Kind zwar den Vernebler ab, aber hat doch etwas inhaliert. Daraufhin lässt der Stridor tatsächlich nach einigen Minuten etwas nach – das Adrenalin wirkt. Zusätzlich wird ein rektales Kortison-Zäpfchen (Rectodelt 100 mg) gegeben, was die Eltern schon von einem früheren Krupp kannten. Die Sauerstoffsättigung war die ganze Zeit um 94–95%, sie steigt mit dem Beruhigen und kalten Luftstrom auf 97%. Nach etwa 10 Minuten ist das Kind deutlich ruhiger, der Husten ist noch da, aber nicht mehr so bellend, Stridor nur noch leicht beim Aufregen.
Das Kind wird zur Überwachung dennoch ins Krankenhaus transportiert (Mutter begleitet natürlich). Auf der Fahrt keine Zwischenfälle, Kind schläft fast ein in Mutters Arm – die Atemwege haben sich stabilisiert.
Kommentar: Klassisches Pseudokrupp-Szenario. Entscheidend war hier das ruhige Handling: Hektik oder gar Intubationsversuch wären völlig fehl am Platz und hätten die Situation nur eskaliert (Angst → mehr Schreien → mehr Stridor). Die Inhalation von Adrenalin ist Standard bei moderaten bis schweren Anfällen und zeigt oft eine erstaunliche Wirkung. Kortison rektal oder oral ist prophylaktisch für die nächsten Stunden wichtig. Das Fallbeispiel zeigt, dass man nicht immer High-Tech braucht – manchmal reicht ein offenes Fenster und elterliche Nähe als Therapie. Natürlich muss man bereit sein einzugreifen, wenn es schlechter würde (z.B. Intubation bei drohender Erstickung), aber das war hier nicht nötig. Auch gut zu sehen: keine überflüssige O₂-Gabe, da Sättigung ok war – Kind hätte Maske sowieso nicht toleriert. Im Krankenhaus war das Kind nach einigen Stunden inhalativer Therapie (wenn nötig wieder Adrenalin) wieder entlassen.
Diese vier Fallbeispiele decken einige der häufigsten Bilder ab: COPD, Asthma, Spannungspneu, Pseudokrupp. Daneben gäbe es viele weitere (z.B. Herzinfarkt mit Lungenödem, Lungenembolie, Vergiftung mit Atemdepression, etc.), aber die Prinzipien bleiben: rasche Einschätzung, adäquate Therapie nach Protokoll, und jederzeit vorbereitet sein, einen Schritt weiter zu gehen (z.B. invasiv), wenn es die Situation erfordert.
10. Aktuelle Studienlage und Empfehlungen von Fachgesellschaften
Die Versorgung von Ventilationsstörungen im Rettungsdienst orientiert sich an aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Leitlinien renommierter Fachgesellschaften. In den letzten Jahren gab es einige wichtige Entwicklungen:
Zusammenfassend lassen sich die Empfehlungen so bündeln: Frühe, aggressive Behandlung reversibler Ursachen (z.B. NIV, Medikamente) wird propagiert, um Intubationen zu vermeiden, aber klare Indikation zur Intubation nicht verzögern (z.B. bei Vigilanzminderung). Die Standardisierung durch Algorithmen hat einen hohen Stellenwert – Hessen hat hier eigene Algorithmen, die sich aber an den genannten Leitlinien orientieren. Wichtig ist auch die fortlaufende Qualitätssicherung und Training: Fachgesellschaften fordern regelmäßige Atemwegs- und NIV-Schulungen für RD-Personal.
Die Evidenzlage verbessert sich stetig. Ventilationsstörungen sind im Fokus diverser Studien, sei es die ideale O₂-Konzentration, die Anwendung neuer Devices (z.B. High-Flow Nasal Oxygen präklinisch – wird getestet) oder medikamentöse Fragen (z.B. Ketamin als Notfallmedikament bei schwerer Bronchospastik – wird zunehmend empfohlen wegen bronchodilatatorischem Effekt). Ebenso beschäftigen sich Fachgesellschaften wie die DIVI mit dem Thema Triage: Bei vielen Patienten mit Atemnot (z.B. Giftgasvorfall) wie priorisieren, etc.
Fazit: Aktuelle Leitlinien (ERC, S3 O₂, S1 Atemwegsmanagement, DIVI-Empfehlungen) bilden die Grundlage für das Vorgehen im Rettungsdienst. Die Kernthemen sind:
Der stete Austausch mit den Fachgesellschaften (z.B. durch Teilnahme von ÄLRD an DIVI-Konferenzen) stellt sicher, dass die Rettungsdienst-Protokolle in Hessen und anderswo up-to-date bleiben. So fließen z.B. die Neuerungen der ERC 2021 in die aktuellen Algorithmen für Reanimation ein (z.B. Verwendung supraglottischer Atemwege priorisieren bei Single-Paramedic CPR).
Insgesamt zeigt die Studienlage: eine konsequente, strukturierte Atemwegs- und Atmungsversorgung prähospital verbessert die Patientenoutcomes. Das spiegelt sich in sinkenden Intubationsraten bei Asthma/COPD durch NIV und in höherer Überlebensrate bei schwerer Dyspnoe, wenn nach Leitlinie gehandelt wird. Rettungsdienst und Kliniken nähern sich an – viele Verfahren, die früher nur in der Klinik galten, werden heute schon präklinisch begonnen (NIV, Ultraschall-Diagnostik, differenzierte O₂-Therapie). Die Fachgesellschaften unterstützen diese Entwicklung mit entsprechenden Empfehlungen, immer mit dem Ziel: Bessere Luft für den Patienten – so früh wie möglich!
Literatur: Die Ausführungen stützen sich auf eine Vielzahl von Quellen, darunter aktuelle Leitlinien und Fachartikel. Exemplarisch seien genannt: der Thieme-Beitrag von Hinrichs-Pavlik et al. zur COPD-Exazerbation, das DIVI-Positionspapier zur Kapnographie, die HLFS Hessen Lernunterlagen, sowie die zitierten Leitliniendokumente (ERC 2015/2021, AWMF S3 020-021, ATLS, u.a.). Diese Quellen unterstreichen wissenschaftlich die hier dargestellten Prinzipien der Diagnostik und Therapie von Ventilationsstörungen im Rettungsdienst.
Leitlinien und Fachgesellschaften
Klinische und wissenschaftliche Fachliteratur
Studien und epidemiologische Daten
Autor: MEDPREP SOLUTION - Florian Hillmann - Juni 2025
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